„Ich hatte das perfekte Leben“, so Renata, die zu mir zum Life Coaching kam. Sie erzählte, dass ihr ihre Leichtigkeit vor einiger Zeit abhanden gekommen war. Sie erinnerte sich mit Wehmut an ihre Studentenzeit zurück, die zwar chaotisch und vor allem gegen Ende ziemlich anstrengend, aber insgesamt eine wunderbare Zeit gewesen war. Über Glück hatte sie damals nicht viel nachgedacht, sie war einfach glücklich gewesen.
Sinnverlust
Mittlerweile hat sie einen Job, mit dem sie recht zufrieden ist, einen festen Partner und auch genügend Freunde. Wie kann es daher sein, dass sie jetzt kein Glück spürt? Am Wochenende versucht sie, so viel wie möglich zu unternehmen. Das Smartphone hat sie immer in Reichweite, damit sie nichts verpasst. Obwohl eigentlich alle Voraussetzungen dafür da sind, fehlt ihr irgendwas. Sie spürt weder Glück noch Leichtigkeit und ist stattdessen schon vor der Arbeit ziemlich erschöpft. Niedergeschlagen und ratlos fragt sie mich: „Wie kann ich dieses glückliche, unbesorgte Lebensgefühl zurückfinden?“
Inhalt
Text: Der Verlust der Leichtigkeit
1. Analyse Life Coach
2. Hilfestellung Life Coach
3. Glück in der Psychologie
4. Glück im Life Coaching
5. Test: wer läuft in sein Unglück
6. Test: wer findet sein Glück
1. Analyse Life Coach
Glück und Sinn in Balance
Als Life Coach ist es wichtig, sich erst mal einen Überblick zu verschaffen. Das, was Renata in ihrer Studentenzeit gespürt hat, war mit Sicherheit Glück. Das, was ihr jetzt fehlt, ist aber eher der Sinn. Ein sinnvolles Leben entsteht, wenn ich in etwa weiß, wohin es mit mir in den unterschiedlichen Lebensbereichen geht.
Renatas Ziel: Innere Ruhe und Ausdauer
Renata ist in diesem neuen Lebensbereich noch ganz am Anfang. Sie ist erst seit einem Jahr mit ihrem Freund zusammen und die beiden haben noch keine konkreten (Familien-) Pläne. Im Job muss sie sich ebenfalls noch zurecht finden und kann noch nicht einschätzen, ob diese Arbeit genau das ist, was sie will. Das Problem, erstmal braucht Sie Ausdauer und innere Ruhe und Achtsamkeit. Das was Sie vor allem belastet ist der innere Kritiker.
Self-Monitoring und die Jagd nach Glück
Mittlerweile versucht sie jedoch, dem Glück hinterherzujagen, was sehr frustrierend für sie ist. Ein Nebeneffekt von diesem Streben nach Glück ist das sogenannte „Self-Monitoring“, d.h. sie fragt sich immer wieder: „Bin ich glücklich?“ Weil das Glück ausbleibt, sinniert sie oft und verlangt zurück nach vergangenen Zeiten.
2. Hilfestellung Life Coach
Sinn statt Glück
Renatas Anliegen „Wie werde ich glücklich?“ wird nach einer Session umgeändert in “Wie lebe ich ein sinnvolles Leben mit möglichst vielen Glücksmomente?“ Sie fängt an praktische Rituale umzusetzten. Sie beginnt jetzt ihren Tag viel ruhiger, ohne Smartphone, und schließt ihn am Abend mit einen Tagesrückblick ab. Dabei setzt sie sich aktiv mit ihren positiven Emotionen auseinander. Seit kurzem schreibt sie außerdem ihre Erfahrungen in einer Art Dankbarkeitstagebuch nieder.
Gelassenheit
Ihr Smartphone benutzt sie nur noch zu festen Zeiten, oft stellt sie es leise. Sie weiß inzwischen besser, was bei ihr Glück hervorruft, und hat sich eine Glückskollage gebastelt. Mittlerweile schätzt sie innere Zufriedenheit mehr als Glück. Zwischendurch nimmt sie sich immer wieder bewusst Zeit, um über sich selbst nachzudenken, und jagt dem Glück nicht mehr hinterher. Dieses Reflektieren ist neu für sie und macht sie gelassener und achtsamer. Sie hat begriffen, das Ziele zu finden, Werte zu verinnerlichen und Dankbarkeit zu praktizieren etwas mit Glück zu tun hat.
3. Glück in der Psychologie
In der Psychologie wird Glück als das subjektive Wohlbefinden betrachtet, also als das von einer Person selbst wahrgenommene Gefühl des Glücks im Leben. Dieses Glücksgefühl ist immer an den jeweiligen Augenblick gebunden und somit vorübergehend. Häufig wird dabei zwischen zwei Aspekten unterschieden:
- Der Zufriedenheitsgrad, der sich auf die allgemeine Zufriedenheit mit verschiedenen Lebensbereichen bezieht, wie beispielsweise der aktuellen Arbeit oder der Partnerschaft.
- Das emotionell erlebte Glück, das auf die Freude, das Glücksgefühl oder die Gelassenheit bezogen ist, die eine Person in einer bestimmten Zeitspanne, beispielsweise in der aktuellen Woche, erlebt hat, sowie auf die Intensität dieser Emotionen.
Die Psychologie des Glücks: Schlussfolgerungen
Die Studie „Happiness: Unlocking the Mysteries of Psychological Wealth“ von Ed Diener und Robert Biswas-Diener aus dem Jahr 2008 betont die Bedeutung des subjektiven Wohlbefindens, das aus Zufriedenheit und emotionellem Erleben besteht, im Verständnis des Glücks. Sie hebt hervor, dass Glück nicht nur emotionale Freude umfasst, sondern auch die allgemeine Lebenszufriedenheit und andere Faktoren.
4. Glück im Life Coaching
Beim Life Coaching spüren wir der Frage nach, wie es gelingen kann, sich gut zu fühlen und gut zu funktionieren. Anders gesagt, sich angemessen in den unterschiedlichen Lebensbereichen zu verhalten. Um das zu erreichen, sind sowohl psychologische als auch philosophische Ansätze nützlich. Beide werden im Life Coaching angewendet. Entscheidend ist der Unterschied zwischen zwei Arten von Glück.
Werteglück
Dabei geht es um das sogenannte „Erfüllte Leben“ (das in der Philosophie „eudamonia“ genannte wird). Im Blick ist dabei das, was einem längerfristig Glück verschafft. Dieses längerfristige Glück kann man auch mit Sinn übersetzen.
(z.B.: eine Arbeit mit Hingabe erledigen oder ein tiefgehendes Gespräch mit einem engen Freund führen)
Wohlfühlglück
Dabei geht es um ein eher hedonisches Leben, das einem kurzfristigen Vergnügen verschafft.
(z.B.: Shoppen oder schön essen gehen)
Werte- oder Wohlfühlglück?
Weder das eine noch, das andere Glück ist besser. Oft geht es auch einfach darum, in welcher Lebensphase sich jemand gerade befindet. Junge Menschen ziehen vielleicht das Wohlfühlglück vor und Eltern eher das Werteglück. Manchen finden wahrscheinlich, dass es ohnehin auf die Balance ankommt.
5. Wer läuft in sein Unglück?
- wer ohne Ziele ist (Nur Teenager kommen vielleicht eine Zeit lang ohne aus.)
- wer sich ständig mit anderen vergleicht (An sich sind Vergleiche nicht schlimm, wichtig ist aber, was wir mit dem Ergebnis machen. Jemand, der ein spannendes Leben führt kann z.B. als Vorbild gelten. Das Abenteuerliche, erzählerische, kann inspirierend wirken. Wer einen hohen Selbstwert besitzt, dem schadet ein solches Vergleichen meist nicht.)
- wer leidensfähig ist und in seinem Job bleibt, obwohl der ihm seit Jahren kein Spaß mehr macht (Wer dank eines ungeliebten Beruf hingegen in der Lage ist, seine Freizeit zufriedenstellend zu gestalten, sollte aber durchaus auch überlegen, diesen Beruf zu behalten.)
- wer seine Wut auf sich, andere und die Welt immer nur runterschluckt (Wut zu äußern ist wichtig, in angemessener Form und bezogen auf die richtige Situation kann sie hilfreich sein.)
- wer cooles Auftreten mit Authentizität verwechselt (Aber auch der Coole hat manchmal einen Vorteil, denn wer immer seine Emotionen im Griff hat, kann auch die eine oder andere schwierige Situation meistern.)
- wer seine Stärken nicht kennt und zu viel auf seine Schwächen fokussiert ist (Allerdings kann man seine Stärken auch unbewusst leben.) – wer Schüchternheit als unüberwindbar betrachtet (Schüchternheit ist keine Krankheit, wer zielführend mit ihr umgeht, kann durchaus glücklich sein.)
- wer fremdgesteuert lebt und sich mit Arbeit überhäuft (Viel zu arbeiten ist nicht immer schlimm. Es gibt auch positiven Stress. Schädlich wird das Ganze, wann man über lange Zeit hinweg trotz negativer Gefühle zu viel arbeitet. Dann droht ein Burnout, oder eine Depression, also möglicherweise Psychotherapie.
- wer Konflikten immer aus dem Weg geht (Manchen Konflikten kann man durchaus ausweichen, auf Dauer jedoch entsteht so eine Harmoniebedürftigkeit, die schädigend ist.)
- wer nur mit „Du-Botschaften“ kommuniziert (Ganz ohne „Du-Botschaften“ kommt wohl niemand aus, zu viele davon schaden jedoch einer Beziehung.)
- wer verzweifelt auf Anerkennung wartet (Darauf zu hoffen, ist nicht schlimm, wenn auch die Selbstanerkennung nicht ausbleibt.)
- wer Perfektionistisch ist (Das dürfen nur Chirurgen sein.)
6. Wer findet sein Glück?
- Wer seine Werte auf seine Lebensziele ausrichtet – wer seinen Selbstwert steigert, durch Selbstverwirklichung und weniger durch Vergleiche mit anderen
- wer Mut zeigt und den alten Job verlässt, um sich etwas zu suchen, das ihn mehr erfüllt
- wer seine Wut, seinen Ärger und andere negative Emotionen regulieren kann
- wer authentisch ist, sich also nicht von der Außenwelt bestimmen lässt, sondern von seinen eigenen Gedanken, Gefühlen und Bedürfnissen
- wer seine Stärken kennt und weiß, wie er sie einsetzen kann
- wer es schafft, mit kleinen Schritten sein Schüchternheit zu überwinden, sich rhetorisch etwas verbessert.
- Wer sich bei der Arbeit nicht zu sehr verausgabt und seine Grenzen kennt
- wer Konflikte zielführend angeht und sich Selbstanerkennung schenkt
- wer mit Ich-Botschaften kommuniziert und so Nähe, Vertrauen und Verständnis schafft
- wer frei und selbstbestimmt lebt und sich nicht vom Lob der anderen abhängig macht
- wer über eine Imperfektionstoleranz verfügt und weiß, dass es gerade das Unvollkommene ist, was den Menschen ausmacht. (Oder wie die Psychologin Brene Brown meint: „Verletzlichkeit ist der Geburtsort von Innovation, Kreativität und Veränderung.“)
© Timo ten Barge [27.10.2019]
Lieber Timo,
super Blog, gefällt mir sehr!
Hallo Olga,
danke dir!
schöne Grüße, Timo
Lieber Timo,
dein Blog ist sehr interessant und hat mich angeregt nachzudenken, was Glück wohl in den verschiedenen Epochen für die Menschen bedeutet hat.
Dabei ist mir aufgefallen, dass du in dem Blog Geld nicht erwähnst.
Gerade heutzutage, wo die Gesellschaft rasant auseinander driftet und sich fast alles nur noch ums Geld dreht, würde ich gerne von dir wissen, inwieweit Geld überhaupt glücklich machen kann?
Herzliche Grüße Ulrike
Hallo Ulrike,
danke für deine Mail.
Ja, du hast recht, beim Thema Glück spielt Geld eine gewisse Rolle.
Nach dem Psychologen Kahnemann erreicht das Lebensglück ein Maximum bei einem Jahreseinkommen von etwa 60.000 Euro. Verdient man mehr, steigt das Glücksgefühl kaum entscheidend weiter.
Geld macht also in gewissem Maße glücklich, allerdings sind diesem Glück Grenzen gesetzt. Entscheidender als Geld ist immer der Sinn.
Liebe Grüße
Timo
Hallo Timo,
dein neuer Blog und deine Art, deine Coachings auch aus philosophischer Sicht zu leiten haben mich inspiriert, nach langer Zeit, nochmal über einen der meistgelesenen Schriftsteller seiner Zeit, den Philosophen Seneca, zu lesen.
Es stellt sich mir jetzt, auch im Zusammenhang mit deinem, übrigens guten Blog:), die Frage: wie kann einer der reichsten und mächtigsten Philosophen seiner Zeit, Genügsamkeit predigen, wenn er über Glück redet?
Auch zu seiner Zeit war er wegen der Diskrepanz zwischen seinen philosophischen Schriften und seinem Handeln, nicht unumstritten!
Herzliche Grüße
Ulrike
Hallo Ulrike, freut mich sehr, dass dich mein Blog dazu inspiriert hat, etwas zu Seneca zu lesen.
Zu Reichtum sagt Seneca: […] ‚der Weise akzeptiert den Reichtum als Begleiterscheinung, ohne sein Herz an ihn zu hängen. […] Hier folgt Seneca der stoischen Lehre, die vernunftgesteuert ist und nicht von Affekten beherrscht. Er lässt sich also nicht hinreißen, ein hedonistisches Leben zu genießen, mit dem vielen Geld, das er besitzt.
Seneca behauptet allerdings nie von sich, er sei ein Weiser. Er ist nicht im Besitz der Tugend, sondern ist lediglich auf dem Weg zur ihr. Die Frage ist gerechtfertigt, ob Theorie und Praxis tatsächlich so übereingestimmt haben.
Auch erwartet er nicht, die vollkommene Weisheit in seinem Leben noch erreichen zu können, dafür schätzt er die Tugend ‚Bescheidenheit‘ zu sehr.
So sagt er: ‚Daher soll man nicht von einem unvollkommenen Menschen vollkommenes Handeln erwarten.‘ Und man soll auch nicht Menschen, die sich auf dem Weg zur Tugend befinden, schlechter machen als solche, die sich nicht auf diesem Weg befinden und diesen Weg auch gar nicht erst einschlagen.
Ich hoffe du kannst etwas mit dieser Antwort anfangen:)
Viele Grüße
Timo
Hallo Timo,
Du schreibst, dass nach Kahnemann das Lebensglück ab einem Jahreseinkommen ab 60.000 im Jahr nicht mehr nennenswert steigt . Was meinst du persönlich dazu?
Herzliche Grüße
Ulrike
Hallo Ulrike,
das ist eine interessante Frage. (Sorry für die späte Antwort.)
Ich hätte nichts dagegen, über € 60.000 pro Jahr zu verdienen, aber ich werde es nicht aktiv anstreben.
Mir sind immaterielle Werte und Ziele schon immer lieber gewesen.
Wie ist das bei dir?
Viele Grüße
Timo
Lieber Timo,
nun ,bei mir ist es ganz einfach 🙂 Das vermeintlich materielle Lebensglück gestaltet das Leben etwas einfacher ,kann aber nicht dauerhaft zu wahrem Glück verhelfen , ist vergänglich .
Aus meinen ganz persönlichen Erfahrungen und aus meiner Perspektive , kann ich sagen : „Alles ist relativ , bis auf die wahre Liebe ! “
Sie ist das einzig , großartige , wahre Glück , welches einem in seinem Leben widerfahren kann , was zählt und einem erhalten bleibt solange man lebt . Sie ist die größte Triebfeder , kann Berge versetzen , Ziele setzen, Glück bescheren , Sinn geben , macht das Leben lebenswert , schenkt Freude, Wohlbefinden , Vertrauen ,macht Mut, stärkt, hilft , heilt und sie kann einen sogar zweimal treffen …
Herzliche Grüße
Uli
Hallo Uli,
schön gesagt!
Herzliche Grüße Timo
HI TIMO,
gerade ist das mein Thema…Glück, eine uraltes philosophisches Thema, akueller denn je. Dein Blog ist toll! DANKE! Kann nur sagen, yes!“
AUTHENTISCH zu sein ist der Schlüssel und kleinen Glücksmomente sehen und bewusst erleben und dankbar dafür sein! Jeden glückllichen Monment bewusst spüren und erleben, sich fallen lassen. Da bin ich ganz bei dir.
Mein Credo ist, dass das Perfekte, also auch das Glück im Imperfekten liegt. Dás macht Leben und den Charme und Charisma aus und dazu zu stehen. Danke für Deine wertvollen Anregenungen. Glück ist immer da, man muss es sehen, spüren, annehmen! Liebe Grüße, Kati
Hallo Kati,
das hast du sehr schön gesagt.
Vielen lieben Dank auch für dein Lob!
Schöne Grüße
Timo