Selbstwert testen: Habe ich einen gesunden Selbstwert?

von | Persönliche Entwicklung | 8 Kommentare

Sandra kam zu mir, weil sie sich in ihrem Job als Versicherungskauffrau nicht mehr wohl fühlt. Sie arbeitet sehr akribisch und gewissenhaft und ist für ihren Einsatz bekannt. In letzter Zeit häufte sich dennoch die Kritik an ihr. Sie erzählte, dass manche Mails sie – wenn auch vielleicht ungewollt – verletzten. Zwischen den Zeilen spürte sie versteckte Kritik. Außerdem fehlten ihr positive Rückmeldungen von ihrem direktem Vorgesetzten und ab und an ein ernstgemeintes Lob. Sie leidet unter einem niedrigen Selbstwert

 

Sandras niedriges Selbstwertgefühl

Schon im Kennenlerngespräch mit Sandra wird mir klar, dass ihr Selbstwert ein entscheidendes Thema bei unserem Coaching sein wird. An der Arbeit scheut Sandra allmählich Herausforderungen. Sie traut sich immer weniger zu, ist nicht mehr so mutig wie früher. Ihr Chef versteckt sich hinter einer Fassade, wirkt nur nach außen cool und gelassen. Die hohe Sensibilität von Sandra könnte eine Reaktion auf das toxische Verhalten ihres Chefs sein und dazu beitragen, ihre emotionalen Herausforderungen zu verstärken.

 

Selbstwert im Beruf und Beziehung

Es stellt sich heraus, dass Sandra auch im Alltag verärgert und frustriert ist, Konflikte nicht zielführend lösen kann. Sie empfindet die Reaktionen anderer oft als unfreundlich oder zu direkt. Sogar in WhatsApp-Gesprächen mit Freunden oder beim Smalltalk mit Kollegen, reagiert sie in letzter Zeit empfindlich. Sie fühlt sich angegriffen und manchmal sogar seelisch verletzt. Auch bei der Suche nach dem ersehnten Partner läuft es noch nicht reibungslos.

Ihr negativer und leistungsorientierter Selbstwert hat also neben dem beruflichen auch den privaten Bereich beeinflusst.

 

Inhalt

Text: Selbstwert steigern

1. Hilfestellung Life Coach: Selbstwert steigern
2. Was ist Selbstwert?
3. Selbstwert Testen: Habe Ich Einen Gesunden Selbstwert?
4. Negative Aspekte von Selbstwert: 3 Gefahren
5. Der authentische Selbstwert
6. Unterschiedliche Facetten von Selbstwert

 

 

1. Hilfestellung Life Coach: Selbstwertgefühl steigern

 

Facetten des Selbstwerts

Während des Coachings betrachten wir einige Facetten des Selbstwerts und finden bei Sandra nach einigen Sessions verschiedene Gründe für ihren negativen Selbstwert. Außerdem wird klar, dass sie für einen souveränen und gelassenen Umgang mit sich und mit anderen einen neuen Job braucht. Ein Neustart ist nötig.

 

Berufliche Neuorientierung

Mittlerweile hat Sandra ihren alten Job gekündigt und eine neue Stelle angetreten. Die berufliche Neuorientierung hat ihr sichtlich gut getan. Sie freut sich über ein besseres Arbeitsklima und eine wertschätzende Kommunikation.

Außerdem bekommt sie mehr Anerkennung, nicht nur für das, was sie für die Firma leistet, sondern für sich selbst als Person. Durch ihren neuen Job ist sie nicht länger fremdgesteuert. Sie hat auch einen freundlichen Umgang mit sich selbst gefunden und handelt jetzt Selbst- bestimmt.

 

Der soziale Selbstwert

Sandra hat mittlerweile einen entspannten Kontakt zu ihren Freundinnen gefunden und schätzt die positiven sozialen Beziehungen in ihrem Leben. In Bezug auf das Thema Dating hat sie beschlossen, es vorerst ruhen zu lassen, bis sie sich bereit fühlt, eine Beziehung einzugehen. Sandra erkennt die Bedeutung, sich selbst gut zu fühlen, bevor sie sich auf romantische Beziehungen einlässt, und nutzt diese Zeit, um an ihrem Selbstwert weiter zu arbeiten.

 

 

2. Was ist Selbstwert?

 

Rosenberg definiert den (globalen) Selbstwert als individuelle Bewertung des Selbst. Das kann sich in Anerkennung, aber auch in einer Abwertung des Selbst äußern. Der Selbstwert enthält 3 wichtige Komponenten, die nicht nur für die Psychologie von Belang, sondern auch für Life-Coaching-Zwecke entscheidend sind:

1) Das Selbstbild → die kognitive Komponente
2) Das Selbstwertgefühl → die Gefühlskomponente
3) Die Selbstwirksamkeitserwartung → die motivationelle Komponente

 

 

3. Selbstwert Testen: Habe Ich Einen Gesunden Selbstwert?

 

Hier sind 10 Fragen, die dir dabei helfen können, deinen Selbstwert zu überprüfen. Bitte beantworte jede Frage ehrlich mit „Ja“ oder „Nein“. Am Ende findest du die Auflösung, um deinen Selbstwert einzuschätzen.

 

  1. Akzeptiere ich mich selbst, einschließlich meiner Stärken und Schwächen?
  2. Kann ich Kritik von anderen annehmen, ohne mich dabei persönlich angegriffen zu fühlen?
  3. Fühle ich mich in sozialen Situationen wohl und habe ich das Vertrauen, auf andere zuzugehen?
  4. Bin ich in der Lage, meine eigenen Bedürfnisse und Wünsche auszudrücken?
  5. Habe ich ein Gefühl der Selbstwirksamkeit und glaube daran, dass ich in der Lage bin, Herausforderungen zu bewältigen?
  6. Erlaube ich mir, Fehler zu machen, ohne mich selbst zu verurteilen?
  7. Empfinde ich Mitgefühl und Freundlichkeit gegenüber mir selbst in schwierigen Zeiten?
  8. Glaube ich, dass ich es wert bin, Glück und Erfolg in meinem Leben zu erleben?
  9. Vergleiche ich mich häufig negativ mit anderen und fühle mich minderwertig?
  10. Habe ich das Gefühl, dass ich die Liebe und Unterstützung von anderen verdiene?

 

Auflösung:

Wenn du „Ja“ auf die meisten oder alle Fragen geantwortet hast, deutet dies darauf hin, dass du einen gesunden Selbstwert hast.

Wenn du „Nein“ auf mehrere der Fragen geantwortet hast, könnte dies darauf hinweisen, dass du an deinem Selbstwert arbeiten solltest, um dein Selbstbewusstsein und deine Selbstakzeptanz zu stärken.

Denke daran, dass ein gesundes Selbstwertgefühl entscheidend für dein Wohlbefinden und deine Beziehungen ist. Wenn du das Gefühl hast, dass dein Selbstwert verbesserungsbedürftig ist, kann die Unterstützung eines Therapeuten oder Life Coaches dir dabei helfen, daran zu arbeiten.

 

 

4. Negative Aspekte von Selbstwert: 3 Gefahren

 

1. künstliche Selbstwerterhöhung

Das „Self-Esteem Movement“ oder die Selbstwertbewegung in den USA in den 1980er und 1990er Jahren versuchte, das Selbstwertgefühl von Kindern und Jugendlichen zu steigern. Sie förderte übermäßiges Lob und Belohnungen ohne tatsächliche Leistung, einschließlich der Idee, Trophäen an alle Kinder zu vergeben, unabhängig von ihren Leistungen. Dieser Ansatz wurde später kritisiert, da er zu unrealistischer Selbsteinschätzung und einem Mangel an Bewältigungsmechanismen führen konnte.

 

2. Der leistungsorientierte Selbstwert

Menschen, die ständig auf Hochtouren laufen oder Perfektionisten sind, haben ihren Selbstwert oft fest an ihre Kompetenz geknüpft. Da bleibt kaum Platz für eine realistische Selbsteinschätzung. Ihr Lebensmotto könnte lauten: „Immer auf 180!“ Man kennt sie auch als die „Leistungsjunkies“ – diese Leute wirken fast immer hektisch und beschäftigt, als könnten sie nicht zwischen wichtigen und dringenden Angelegenheiten unterscheiden, wie Stephen Covey es so treffend beschrieben hat.

 

3. Der selbstverliebte Selbstwert

Ein hoher Selbstwert kann auch zu Egozentrismus oder Narzissmus führen. Das passiert, wenn aus Selbstakzeptanz, Selbstüberschätzung wird. Menschen mit einem hohen expliziten, aber niedrigem impliziten Selbstwert verhüllen oft ihr schwaches Selbstwertgefühl, indem sie sich nach außen wird dominant oder gar überheblich geben.

Viele hatten schon einmal mit einem narzisstischen Chef zu tun, der viel Selbstsicherheit ausstrahlt und von dem man meint, er hätte einen hohen Selbstwert. In jedem Fall fehlen ihm die sogenannten Soft Skills wie Empathie und Zuhörer Qualitäten.

 

 

5. Der authentische Selbstwert 

 

Selbstmitgefühl

Kristin Neff zeigt auf, wie man der Gefahr des Getrieben-Seins und der Selbstüberschätzung entgeht. Von ihr stammt das Konzept des „Selbstmitgefühls“, das eine gewissen Ähnlichkeit mit dem Konzept des Selbstwerts aufweist, allerdings ohne dessen negative (nicht authentische) Begleiterscheinungen. Das sogenannte Selbstmitgefühl besteht aus 3 Komponenten:

  1. Freundlichkeit mit sich selbst
    freundlich und akzeptierend mit sich selbst umgehen → Umgang mit sich selbst wie mit einem Freund
  2. Verbundenheit mit allen Menschen
    auf sich und andere und nicht wie im Selbstmitleid nur auf sich selbst gerichtet sein → Fokus auf andere statt auf sich selbst (Egozentrismus)
     gerichtet
  3. Achtsamkeit (Mindfulness)
    die Aufmerksamkeit achtsam auf den gegenwärtigen Moment lenken → Vorurteils- und wertfreies Erleben im Hier und jetzt

 

6. Unterschiedliche Facetten von Selbstwert

 

  1. Der emotionale Selbstwert
    Selbstakzeptanz → Wie stehe ich zu mir selbst? Das heißt: Werte ich mich auf oder werte ich mich ab?
  2. Der soziale Selbstwert 1
    Sicherheit im Kontakt zu anderen → Gehe ich selbstbewusst auf andere zu? Das heißt: Bin ich angstfrei und aufgeschlossen anderen gegenüber oder bin ich gehemmt, wenn es um soziale Kontakte geht?
  3. Der soziale Selbstwert 2
    Umgang mit Kritik → Wie reagiere ich auf Kritik? Das heißt: Nehme ich Kritik an, fange ich an zu zweifeln, oder werde ich überheblich? Oder schaffe ich es, gelassen damit umzugehen und davon zu profitieren?
  4. Der leistungsbezogene Selbstwert
    Einschätzung der eigenen Stärken → Für wie fähig oder kompetent halte ich mich bezogen auf meine Arbeit oder bei kreativen Leistungen im privaten Bereich? Das heißt: Schätze ich mich als fähig ein und betrachte ich Fehler als Lernprozess? Oder muss ich immer alles perfekt machen und betrachte mich vielleicht sogar als Versager?
  5. Der zielbezogene Selbstwert
    Zielgerichtet sein (nach N. Brandon) → Inwieweit richte ich meine Werte auf meine Ziele aus? Das heißt: Kenne ich meine Werte und meine Lebensziele oder lebe ich spontan ohne Blick nach vorne?
  6. Der bewusstseinsbezogene Selbstwert
    Bewusstes Reflektieren von Gedanken, Gefühlen und Handlungen (nach N. Brandon) → Welche Entscheidungen treffe ich aufgrund meines Wissens? Das heißt: Inwieweit übernehme ich Verantwortung für meine Entscheidungen?
  7. Der körperbezogene Selbstwert 1
    Einschätzung der eigenen Attraktivität → Wie zufrieden bin ich mit meinem Aussehen? Das heißt: Bin ich nahezu unbeeinflusst von gesellschaftlichen Idealen und stehe ich zu meinen sogenannten Problemzonen? Oder lasse ich mich fremdbestimmen und habe eine Idealvorstellung, der ich nacheifere, und halte mich vielleicht sogar für hässlich?
  8. Der körperbezogene Selbstwert 2
    Einschätzung der eigenen Sportlichkeit → Wie zufrieden bin ich mit meinen sportlichen Leistungen? Das heißt: Halte ich mich für fit und vital und ernähre ich mich gesund? Oder bin ich unglücklich, was meine Fitness angeht?

 

Beim Life Coaching ist es wichtig, sich die verschiedenen Dimensionen oder Komponenten anzuschauen und nach Lebensbereichen zu gliedern: z.B. Beruf, soziales Umfeld, Freizeitbereich etc. Der Selbstwert schwankt nicht nur je nach Tagesform, sondern ist auch in den jeweiligen Lebensbereichen unterschiedlich ausgeprägt.

 

 

© Timo ten Barge [02.07.2018]

 

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8 Kommentare

  1. Lydia

    Hallo Timo,
    danke, ich finde, was du schreibst sehr interessant und hilfreich.

    Ich habe noch eine Frage, ich habe das Gefühl einen niedrigen Selbstwert zu haben an der Arbeit, unter Freunden aber fühle ich mich sehr wohl. Was sagt das aus über meinen Selbstwert oder über mich?

    Vielen Dank nochmal für den Blog!
    Beste Grüße Lydia

    Antworten
    • Timo

      Hi Lydia,
      schön das es dir gefallen hat!

      es ist völlig normal, dass dein Selbstwertgefühl in unterschiedlichen Umgebungen auch unterschiedlich ist. Dass du dich unter deinen Freunden wohlfühlst und dich so geben kannst, wie du bist, ist wunderbar. Das gelingt nicht jedem.

      An der Arbeit ist das manchmal ein wenig anders, dort versucht man meist, eine andere, “professionelle“ Seite von sich zu zeigen. Du scheinst dort nicht ganz zufrieden und im Einklang mit dir selbst zu sein. Was genau ist es, das dich dazu bringt, dich am Arbeitsplatz unwohl zu fühlen?

      Es gibt im Life Coaching viele Methoden, um deinen Selbstwert auch in beruflicher Hinsicht zu stärken.

      Herzliche Grüße,
      Timo

      Antworten
  2. Uli

    Lieber Timo,
    Selbstwert ist ein äußerst komplexes Thema!
    In deinem Blog behandelst du das Thema sehr informativ, ausführlich und anschaulich. Es war mir ein Vergnügen diesen Blog zu lesen und ein Ansporn über meinen persönlichen Selbstwert nachzudenken.

    Ich hoffe, dass er für viele Menschen ein Anlass ist,über sich und ihren Selbstwert nachzudenken, vor allem ihre Motivation und Ziele zu hinterfragen und so mit Hilfe vom authentischen Selbstwert, wie du ihn nennst, glücklich zu werden.

    Herzliche Grüße Uli

    Antworten
    • Timo

      Liebe Uli,
      freut mich das es dir so gefallen hat.
      Ich werde das Thema demnächst noch etwas vertiefen.

      Viele Grüße, Timo

      Antworten
  3. Anna

    Hi Timo,
    total interessant und inspirierend.
    Ich habe viele Denkanstöße gewonnen.
    Danke!
    Anna

    Antworten
    • Timo

      Hi Anna,
      vielen Dank!
      Grüße,
      Timo

      Antworten
  4. Olga

    Hallo Timo,

    schöner Beitrag.
    Ich kämpfe mit meinem schlechten Selbstwertgefühl und versuche es zu ändern, ist aber echt schwierig.
    Dein Blog war wirklich eine große Hilfe.

    Viele Grüße
    Olga

    Antworten
    • Timo

      Hallo Olga,
      danke für das Kompliment.
      viel Erfolg dir!
      Schöne Grüße
      Timo

      Antworten

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