Berufswechsel: Wie komme ich raus aus dem negativen Stress?

von | Arbeit und Zeitmanagement | 10 Kommentare

Henrik möchte das schaffen, was die meisten, die zu mir kommen, ebenso wollen. Er strebt einen Berufswechsel an, hat lange mit sich gerungen und alles gut durchdacht. Er ist ein selbstbewusster Typ. Dennoch ist ihm anzumerken, dass er schon längere Zeit fremdbestimmt lebt. Je länger er von sich erzählt, desto mehr schimmert seine Unzufriedenheit durch. Diese hat ihre berechtigten Gründe, wie sich herausstellen wird, und hat schließlich dazu geführt, dass er gekündigt hat.

 

Gründe für den Berufswechsel

 

fehlende Wertschätzung

Hilfreich war, dass Henrik mir in seiner erste Mail genau beschrieben hat, wo genau seine Probleme liegen. Auch hat er mir im Detail geschildert, wie es dazu kam, dass er den Berufswechsel wollte. Der wichtigste Grund war die fehlende Anerkennung. Zum Anfang hat er mir gleich sein Ziel genannt: Er wollte wissen, ob er das Zeug zur Führungskraft hat.

 

negative Emotionen

Schließlich hat er mir noch geschrieben, welche Gefühle ihn in erster Linie belasten. Es sind vor allem die Schuldgefühle, nicht früher gewechselt zu haben, und Gefühle von Frustration und Wut, wenn er von einer inkompetenten Führungskraft in die Schranken gewiesen wird.

 

Hilfestellung zum Thema Berufswechsel

 

Führungsqualitäten

Im Life Coaching geht es meistens um die Kernthemen „Selbstwert“, „Werte und Ziele“, „Motivation“, „Stärken und Schwächen“ und „das Finden von Lebenszielen“. Für Henrik ging es konkret darum zu erfahren, ob er über die notwendigen Fähigkeiten eines Abteilungsleiter verfügt. Zu diesem Zweck haben wir in seinem Umfeld – bei Freunden und Kollegen – Stärken gesammelt und eine Liste erstellt. Auf dieser fangen sich Stärken, die eine Führungskraft tatsächlich auszeichnen sollten: Verantwortungsbewusstsein, Autorität, Tatkraft, Disziplin etc. Im nächsten Schritt haben wir Beispiele aus seinem Leben gesucht, die diese Stärken beweisen, so dass wir sie gleichzeitig vertiefen konnten.

 

Stärken Feedback

Dank einiger Übungen lernte Henrik, noch besser zu reflektieren und noch näher an sich selbst heranzukommen. Durch das Feedback seiner Freunde und Kollegen konnte er einen Abgleich zwischen Selbst- und Fremdbild machen. Im Verlauf dieses Abgleichs hat es ihm immer mehr Spaß gemacht, das eigene Ich neu zu entdecken. Die intensive Beschäftigung mit dem Thema „Selbstwert“ hat dazu geführt, dass er sich selbst in unterschiedliche Situationen neu betrachtet hat. Henrik ist stetig vorangekommen, durch verschiedene Übungen und kurze Reflexionsphasen, die ihm zur Routine wurden.

 

Bewerbungsgesprächen

In den bevorstehenden Bewerbungsgesprächen wusste Henrik jetzt viel besser, wie es sich präsentieren konnte. (Stichwort: „elevator pitch“) Als zukünftiger Führungskraft habe ich ihm zudem empfohlen, das, was er über das Reflektieren gelernt hatte, an seine künftigen Mitarbeitern weiterzugeben und mit ihnen zu praktizieren.

 

Auslöser für den Berufswechsel

 

fehlende Anerkennung

Wie bei den meisten, die zum Life Coaching kommen, ging es Henrik um Selbstwert und Anerkennung . Er arbeitete seit vielen Jahren in der Steuerbranche und hatte in den letzten Jahren immer wieder überlegt zu wechseln. Mit seinen Kollegen verstand er sich gut, obwohl ihm der Smalltalk oft etwas zu oberflächlich war. Lieber suchte er in seinen Pausen die Ruhe. Schwieriger war die Kommunikation mit seinem Vorgesetzten. Sobald eine Angelegenheit brenzlig zu werden drohte, stand sein Chef nicht hinter ihm. Er hatte keinerlei Führungsqualitäten, was zu großer Frustration führte. Gelegentlich wurde er gar jähzornig und wütend, wenn ihm etwas nicht passte. Henrik musste oft als Sündenbock herhalten.

 

Persönlichkeitstest

Als sein Chef in einmal in einer Sitzung voll auflaufen ließ, war für Henrik klar, dass es so nicht weitergehen konnte. Er machte sich auf die Suche nach einem neuen Job. Gleichzeitig wollte er an sich selbst arbeiten und analysieren, welcher Persönlichkeitstyp er ist. Er hatte schon früher verschiedene Test gemacht, doch da die Verfahren und Ergebnisse nicht sehr aufschlussreich gewesen waren, suchte er im Internet nach weiteren Tests. Nachdem er auf diese Weise nicht weit kam, suchte er sich einen Life Coach.

 

Testresultat 

 

kühl, direkt und unsensibel

Frühere Testverfahren wie das sogenannte Enneagramm, „Mayers Briggs“ und der PI-Test haben bei Henrik einen eher negativen Beigeschmack hinterlassen, weswegen er anfänglich etwas zurückhaltend war, als ich nachfragte, welche Erfahrungen er mit beruflichen Weiterbildungen oder Coachings gemacht hat. Zudem hatte ihm einmal ein Psychologe attestiert, zu direkt, kühl und unsensibel zu sein. Genauso wenig schmeichelhaft waren die Ergebnisse einiger Gruppen- sowie eines Einzelcoachings: Daraus war er hervorgegangen als extrovertiert, perfektionistisch, gewissenhaft, sehr direkt, nicht kooperativ, kühl, über wenig Einfühlungsvermögen verfügend etc.

 

fragwürdiges Ergebnis

Diese Ergebnisse seien kaum von Gesprächen flankiert worden, erklärte Henrik, stattdessen waren sie mehr oder weniger unkommentiert im Raum stehen gelassen worden. Auf diese Weise helfen Tests, wie man sieht, überhaupt nicht weiter. Ein Test ohne richtige Analyse und Interpretierung kann sogar dauerhaft schädigend sein. Dadurch können negative Glaubenssätze entstehen und der Selbstwert kann sehr darunter leiden.

 

Einfluss Berufswechsel

Nachdem Henrik und ich einen Persönlichkeitstest und einen Stärkentest durchgeführt und vertieft hatten, konnten wir feststellen, dass er tatsächlich einen Hang zum Perfektionismus hat, dass seine kommunikativen Fähigkeiten jedoch sehr einseitig ausgelegt worden waren. Der Kommunikationsstil an seinem Arbeitsplatz hatte sich generell über die Jahre immer mehr verschlechtert und Konflikte wurden nie richtig ausgesprochen. „Du-Botschaften“ und Schuldzuweisungen waren in seiner Firma an der Tagesordnung. Er war ständig fremdbestimmt. Das war in den bisherigen Testverfahren nicht berücksichtigt worden.

 

Wann ist ein Test aufschlussreich?

ausführlich analysiert

Tests können in jedem Fall weiterhelfen, aber nur wenn sie ausführlich analysiert und je nach Kontext interpretiert werden. Außerhalb der Firma verhielt sich Henrik nämlich ganz anders. Er ist ein Mensch, der gut zuhören und sich in andere hineinversetzen kann. Wenn das Arbeitsklima gut ist, ist auch er in der Lage, gut zu kommunizieren. Bei einer Übung mit Werte haben wir festgestellt, dass er etwas taktvoller mit seinen Kollegen umgehen sollte und verstehen muss, dass der Umgang mit introvertierten Menschen noch mehr Sensibilität erfordert.

 

richtig Interpretiert

Wir haben Lösungen gefunden, damit Henriks Direktheit von den anderen nicht als kühl und voreingenommen interpretiert wird, sondern eher als cool.  Außerdem hat er erfahren, dass Smalltalk per se nichts Schlechtes sein muss, sondern dass man auch in vermeintlich oberflächlichen Erzählungen, Geschichten und Anekdoten gewisse interessante Schnittmengen finden kann.

 

Fazit

Henrik wollte Klarheit haben über sich selbst. Er wollte wissen, ob die Ergebnisse von unterschiedlichen Tests und Weiterbildungen richtig waren, ob sein Wunsch, eine Führungskraft zu werden, vielleicht zu hoch gegriffen war. Und er wollte Klarheit, vor allem was seine Schwächen im kommunikativen Bereich anging, seine angeblich kühle und zu direkte Art. Auch wollte er lernen zu reflektieren.

Er hat festgestellt, dass Reflektieren mehr ist, als nur über sich selbst nachzudenken. Er hat alte Denkmuster aufgebrochen und Denkgrenzen überschritten, so wie es seit Jahrtausenden Philosophen tun.

 

© Timo ten Barge [05.05.2018]

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10 Kommentare

  1. Uli

    Hallo Timo,
    Beruf ist zur Zeit für viele Menschen mit Disstress verbunden, leider! Die Erwartungen der Vorgesetzten, aber auch die eigenen Erwartungen und Ziele sind meistens sehr hoch gesteckt. Der Führungsstil ist oft ruppig, Anerkennung rar gesät.

    Oft hapert es bei der Kommunikation. Das alles zusammen, führt oft zu vielen Missverständnissen und Verletzungen und endet unweigerlich im Burn Out, wenn man nicht rechtzeitig dagegen steuert.

    Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass man alleine damit überfordert ist und kann nur jedem empfehlen, sich rechtzeitig professionelle Hilfe zu holen.

    Servus Ulrike

    Antworten
    • Timo

      Hallo Ulrike,
      ja, wenn der Stress über längere Zeit andauert und dazu noch fehlende Kommunikation und Anerkennung kommen, kann es tatsächlich zum Burn Out führen.

      Ich werde demnächst ein Blog zu dem Thema schreiben.

      Vielen Dank für deinen Kommentar!

      Liebe Grüße Timo

      Antworten
  2. Lena

    Hallo, lieber Timo,

    vielen Dank für den spannenden Artikel zum Thema „Berufswechsel“. Ich habe festgestellt, dass ich auch Schuldgefühle habe, weil ich nicht schneller meine Stelle gewechselt habe.

    Ich war einfach unterfordert, habe mich gelangweilt. Dabei war mein Chef eigentlich ganz nett, nur seine fachlichen Kompetenzen waren mittelmäßig.

    Im meinem jetzigen Beruf bin ich auch nicht ganz zufrieden, erwarte ich vielleicht zu viel vom Job?

    Viele Grüße Lena

    Antworten
    • Timo

      Liebe Lena,

      es ist durchaus möglich, dass deine Erwartungshaltung etwas hoch ist. Sinnvoll wäre es daher auch, nach deiner Zufriedenheit in anderen Lebensbereichen zu schauen.

      Du könntest dir die Frage stellen, ob die Arbeit für dich unbedingt erfüllend sein sollte oder ob es dir reicht, wenn du in anderen Lebensbereichen Spaß und Abwechslung findest.

      Viel Erfolg!
      Timo

      Antworten
  3. Ben

    Toller Beitrag.
    Ich finde mich darin wieder, es ist wie ein Spiegel.
    Jetzt hoffe ich, dass ich den Mut finde, auch den Beruf zu wechseln!
    Ciao,
    Ben

    Antworten
    • Timo

      Danke, viel Erfolg dabei!
      Gruß,
      Timo

      Antworten
  4. Dahlia

    Hi Timo,
    great blog!
    good luck,
    Dahlia

    Antworten
    • Timo

      Hi Dahlia,
      thanks a lot!
      greetings,
      Timo

      Antworten
  5. authentic charisma

    Hervorragender Beitrag und einen wirklich schönen Blog hast du hier!
    Ich werde sicherlich öfter mal vorbeischauen! 🙂

    Antworten
    • Timo

      danke dir für dein Lob!

      Antworten

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