Gewaltfreie Kommunikation in 4 Schritten – Einfache Beispiele

von | Soziale Kompetenzen | 4 Kommentare

Martin gerät relativ oft in Konflikte, in letzter Zeit immer häufiger mit seiner Freundin. Kürzlich erst wieder, als sie ziemlich spät von ihrem „Mädelsabend“ zurückkam, ist ihm rausgerutscht, „sie solle sich doch bald einen anderen suchen, wenn das so weiter ginge“. Den demonstrativen Blick auf die Armbanduhr, der seine Vorwürfe begleitete, konterte Nora nur mit einem genervten Blick. Vielleicht wäre gewaltfreie Kommunikation doch besser gewesen, so muss Martin später feststellen.

 

Inhalt

Text: Gewaltfreie Kommunikation – einfach erklärt 4 Schritten

1. Gewaltfreie Kommunikation: Analyse Life Coach
2. Gewaltfreie Kommunikation: Ziele und praktische Tools
3. Was ist gewaltfreie Kommunikation? Die 4 Schritte
4. Gewaltfreie Kommunikation: Ich- und Du-Botschaften
5. Gewaltfreie Kommunikation: Fazit
6. Gewaltfreie Kommunikation: 20 Tipps

 

 

1. Gewaltfreie Kommunikation: Analyse

 

verletzende Generalisierung

Da fühlte Martin sich nicht ernst genommen und toppte seine Schimpftiraden mit der groben Verallgemeinerung: „Auf dich ist ja eh´noch nie Verlass gewesen“. Nora war verblüfft und fühlte sich von so viel Ungerechtigkeit vor den Kopf gestoßen. Sie gab einfach auf und ging wortlos ins Badezimmer. Über Gefühle sprach sie ohnehin schon längst nicht mehr mit ihm. „Wozu auch?“, dachte sie frustriert. Denn Martin meinte doch schon längst, sie sei ohnehin „gefühlsarm“. Nicht zum ersten Mal hatte er ihr an diesem Abend vorgehalten, sie sei „keine „einfühlsame Frau und Partnerin“.

 

Einsicht bei Martin

Bald schon sah Martin wieder klarer. Ihm dämmerte, dass er tatsächlich überreagiert hatte. So oft war seine Partnerin auch wieder nicht allein unterwegs. Und wenn sie Spaß hatte, warum sollte sie nicht länger bleiben dürfen? Wenn er es sich recht überlegte, dann musste er sich eingestehen, dass er sogar etwas neidisch war auf ihren großen Freundeskreis. Warum nur musste er so oft auf die Uhr schauen, wenn Nora nicht zu Hause war? Freute er sich womöglich klammheimlich darüber, dass sie ihm durch ihr spätes Nachhausekommen Gelegenheit gab, sie auf ihre „Unpünktlichkeit“ und „Unzuverlässigkeit“ hinzuweisen? Bei diesen Überlegungen angelangt, kam sich Martin fast ein wenig schäbig vor.

 

Wie hätte Martin sich fair verhalten können?

Die Frage ist, wie Martin sich fair und zielführend hätte verhalten können, als Nora später als ausgemacht nach Hause kam. Er hätte seine Bedürfnisse äußern können. Am besten schon, bevor die Wut überhaupt aufkam. Auch besser, als bei Noras Nachhausekommen gleich loszumeckern, wäre es gewesen, die Situation zu thematisieren, wenn die Wut etwas verraucht war. Es war kein sehr cooler auftritt von Martin.

 

2. Gewaltfreie Kommunikation: Ziele und Tools

Martin hat sich für ein Life Coaching entschieden, um an zwei wesentlichen Zielen zu arbeiten: die Steigerung seines Selbstwerts und die Anwendung der Gewaltfreien Kommunikation. In diesem Coaching-Prozess werden wir uns auf die Praxis konzentrieren und ihm die Werkzeuge an die Hand geben, die er benötigt, um seine Ziele zu erreichen. Unsere Arbeit ist auf fünf 90-minütige Sitzungen ausgelegt, aber nach den ersten fünf Sitzungen zeigt Martin so viel Engagement und Fortschritt, dass er sich entscheidet, 2 weitere Sessions zu buchen, die sich auf Rhetorik und Schlagfertigkeit am Arbeitsplatz konzentrieren.

 

Ziel 1: Selbstwert steigern

Tools für die Steigerung des Selbstwerts:

Identifikation von Werten und Lebenszielen: Im ersten Treffen werden Martin und ich gemeinsam daran arbeiten, seine persönlichen Werte und Lebensziele zu erkunden. Dies bildet die Grundlage für den Aufbau seines Selbstwertgefühls.

Hervorheben von Stärken: Gemeinsam erarbeiten wir Martins Stärken und Fähigkeiten und betonen, was er gut kann, um sein Selbstvertrauen zu stärken.

Selbstwert-Tagebuch führen: Martin führt jetzt ein Tagebuch, in dem er täglich seine Erfolge und Momente des Selbstwerts festhält. Das hilft ihm, sein Selbstbewusstsein im Alltag zu steigern.

 

Ziel 2: Verbesserung Kommunikation

 

Tools für die Anwendung der Gewaltfreien Kommunikation:

Konzepterklärung: Ich erkläre Martin das Konzept der Gewaltfreien Kommunikation detailliert. Er versteht, wie diese Art der Kommunikation funktioniert und wie sie zu einer besseren Beziehung beiträgt.

Übungen mit Ich-Botschaften: Martin wird in praktischen Übungen lernen, wie er Ich-Botschaften verwendet, um seine Gefühle und Bedürfnisse klar auszudrücken, ohne Vorwürfe zu machen.

Rollenspiele: Um die Theorie in die Praxis umzusetzen, machen Martin und ich gemeinsam Rollenspiele. Dadurch kann er die Gewaltfreie Kommunikation in echten Situationen üben.

 

Fazit:

Seit unseren Life Coaching Sessions zeigt Martin viel Engagement für seine persönliche Entwicklung. Er hat begonnen, seine Werte und Lebensziele zu erkennen, seine Stärken zu betonen und führt sogar ein Dankbarkeitstagebuch, um sein Selbstwertgefühl zu steigern.

Auch in Bezug auf die Gewaltfreie Kommunikation hat er große Fortschritte gemacht. Dies hat ihm geholfen, besser mit seiner Freundin zu kommunizieren. Sein Rhetoriktraining hat seine Schlagfertigkeit verbessert, er erhält regelmäßig positives Feedback von seinen Kollegen. Das stärkt sein Selbstwertgefühl weiter.

 

3. Was ist gewaltfreie Kommunikation?

Gewaltfreie Kommunikation (GFK) ist eine von Marshall B. Rosenberg entwickelte Methode, die auf den Prinzipien der Empathie und Einfühlsamkeit basiert. Sie zielt darauf ab, eine wertschätzende und effektive Kommunikation in Konfliktsituationen zu ermöglichen.

In der GFK geht es darum, Bedürfnisse und Gefühle auszudrücken, ohne dabei zu kritisieren oder zu verurteilen. Stattdessen fördert sie Verständnis, Kooperation und die Suche nach Lösungen, die für alle Beteiligten akzeptabel sind.

 

Die Methode besteht aus vier Schritten:

  1. Beobachtung: Martin lernt, konkrete und sachliche Beobachtungen ohne Bewertungen oder Interpretationen auszudrücken. Zum Beispiel: „Gestern kamst du um 11 Uhr nach Hause.“
  2. Gefühl: Das Problem oder das Gefühl benennen: „Ich mag es nicht, immer allein zu Hause rumzuhängen, das langweilt mich.“
  3. Bedürfnis: Das Verhalten ansprechen, das einen irritiert: „Ich finde es unangenehm, wenn du zu spät kommst (ohne mich zu benachrichtigen).“
  4. Bitte: Schließlich formuliert Martin seine Bedürfnisse als konkrete Bitten. Anstatt zu sagen, „Du musst pünktlich nach Hause kommen,“ macht er einen Vorschlag für die Zukunft: „Ich fände es schön, wenn wir auch mal wieder zusammen weggehen würden.“

Die Gewaltfreie Kommunikation hat das Potenzial, Martins Fähigkeit zur Konfliktlösung zu verbessern und seine Beziehungen zu stärken. Indem er diese Methode anwendet, kann er konstruktivere Wege finden, um seine Bedürfnisse und Gefühle auszudrücken und Missverständnisse zu reduzieren.

 

4. Gewaltfreie Kommunikation: Ich- und Du-Botschaften

 

Unterschied zwischen Ich- und Du-Botschaften

 

Ich-Botschaften schaffen Nähe, fördern den Dialog, sie beschreiben eigene Gefühlen und zeigen, was in einem Menschen vor sich geht. Es sind Versuche, Verhaltensänderungen zu schaffen und verletzen die Beziehung nicht.

Beispiele:
– Ich mache mir Sorgen, weil …
– Ich vermute, dass …
– Es hat mich gestört, dass …

Das Resultat ist eine höhere Bereitschaft des Angesprochenen, sich auf die Gefühle und Gedanken des Kommunikationspartners einzulassen. Ich-Botschaften verletzen die Gefühle des anderen nicht, weil sie keine negative Bewertung enthalten. Stattdessen findet eine positive Kommunikation statt.

 

Du-Botschaften schaffen hingegen Distanz und fördern die Diskussion. Sie enthalten Urteile über den anderen und halten diesem vor, was er falsch gemacht haben soll. Außerdem wird geäußert, welche Werte missachtet worden sein sollen. Es handelt sich dabei oft um Angriffe der angesprochenen Person und damit der Beziehung.

Beispiele:

– Du solltest endlich mal …
– Es ist immer das gleiche mit dir …
– Nie bist du pünktlich …

Das Resultat sind Konflikte. Aus Irritation und Wut kann sogar eine Gewaltspirale entstehen. Die Kommunikation ist destruktiv.

 

Gründe für Du-Botschaften

Hinter Du-Botschaften kann man sich gut verstecken. Durch einen Mangel an Selbstoffenbarung bleibt das, was eine Nachricht zwischen den Zeilen transportiert, oft verborgen. In vielen Fällen weiß der Sender nicht mal selbst, welche Seiten einer Nachricht in im stecken, so der Psychologe Schulz von Thun.

Auch hinter „man“-Sätze kann man sich gut verstecken. (z.B. „Man ärgert sich schnell, wenn Menschen nicht zuhören.“) Mit anderen Worten: Die Distanz wird größer, die eigene Gefühle und Gedanken bleiben außen vor. Umgekehrt schafft eine Ich-Botschaft Nähe, zu der nicht jeder den Mut hat. Eine Ich-Botschaft kann verletzlich machen.

 

Vorteile Ich-Botschaften?

Brene Braun, eine Sozialwissenschaftlerin, glaubt, dass dieses Erlauben von Fehlern, das Zulassen von Imperfektionismus, ja genau diese Verletzlichkeit die Grundvoraussetzung für ein sinnhaftes und erfülltes Leben ist. Menschen, die sich einem emotionales Risiko aussetzen, werden von anderen als authentischer und mutiger wahrgenommen als solche, die sich immer bedeckt mit ihren Äußerungen halten. Es ist also eine Stärke. Ein Grund mehr also, Ich-Botschaften anstelle von Du-Botschfaften zu verwenden!

So zeigt man seine Bedürfnisse und muss sich trauen, um etwas zu bitten. Durch Du-Botschaften dagegen äußert man die eigenen Werte. Es ist viel einfacher, anderen die eigenen Ansichten zu präsentieren, als zu versuchen, die Werte des Gegenübers zu verstehen.

 

Wie klappt eine gelingende Kommunikation?

Für eine gelingende Kommunikation ist es genauso wichtig, die eigene Werte zu kennen, wie die des Gegenübers zu respektieren. So steckt im Beispielfall hinter Martins Wert „Pünktlichkeit“ in Wirklichkeit ein Bedürfnis nach mehr Geselligkeit. Wenn Martin das erkennt, kann er etwas an seiner Situation verändern und indirekt dann auch zu mehr Entspannung in seinem Verhältnis zu Nora gelangen.

 

5. Gewaltfreie Kommunikation: Fazit

Im Coaching werden oft unerkannte Bedürfnisse, wie das nach Anerkennung, aufgedeckt. Kleine Verbesserungen in der Kommunikation haben große Auswirkungen und fördern authentische und erfüllende Beziehungen. Die Anwendung der vier Schritte der gewaltfreien Kommunikation spielt dabei eine entscheidende Rolle.

 

6. Gewaltfreie Kommunikation: 20 Tipps

 

  1. Beobachten statt Bewerten: Statt Vorwürfe zu machen, beschreibe objektiv, was du beobachtest. Beispiel: „Du kommst spät nach Hause“ wird zu „Du bist gestern um 11 Uhr nach Hause gekommen.“
  2. Unterscheide zwischen Gefühlen und Pseudogefühlen: Wahre Gefühle sind klar und einfach (z. B. wütend, traurig, frustriert), während Pseudogefühle oft Urteile oder Interpretationen sind (z. B. beleidigt, verletzt, ignoriert).
  3. Verstehe individuelle Bedürfnisse: Jeder hat einzigartige Bedürfnisse. Frage nach, um zu verstehen, was sie sind. Beispiel:“Was macht deine Abende besonders, wenn du unterwegs bist?“
  4. Bitte um konkretes Verhalten: Statt zu sagen, „Ändere dein Verhalten“, bitte konkret um das, was du dir wünschst. Beispiel: „Könntest du mich vorher anrufen, wenn du später wirst?“
  5. Verwende Ich-Botschaften: Drücke deine eigenen Gefühle und Bedürfnisse aus, ohne Vorwürfe zu machen. Beispiel: „Ich fühle mich einsam, wenn du spät nach Hause kommst.“
  6. Fokussiere auf Gemeinsamkeiten: Betone, was ihr gemeinsam habt, um Verbindung herzustellen. Beispiel: „Wir möchten beide Zeit miteinander verbringen.“
  7. Achtsames Zuhören: Nimm dir Zeit, achtsam zuzuhören, ohne zu unterbrechen oder zu urteilen. Das zeigt Empathie. Beispiel: „Ich höre dich. Erzähl mehr.“
  8. Vermeide Scheinargumente: Statt vage oder unklare Aussagen oder Scheinargumente zu machen, sei präzise und klar. Beispiel: „Das ist einfach nicht fair“ wird zu „Kannst du bitte erklären, was genau nicht fair ist?“
  9. Berücksichtige Hochsensibilität: Beachte, dass manche Menschen hochsensibel sind und empfindlicher auf Reize reagieren. Sei einfühlsam und respektvoll.
  10. Erkenne Narzissmus: Wenn du mit jemandem kommunizierst, der narzisstische Tendenzen hat, sei vorsichtig, Grenzen zu setzen und klare Kommunikation zu fördern.
  11. Kenne deine eigenen Werte: Selbstreflexion hilft dir, deine eigenen Werte und Bedürfnisse zu verstehen, was die Kommunikation erleichtert.
  12. Respektiere die Werte des anderen: Zeige Verständnis für die Werte und Bedürfnisse deines Gesprächspartners, auch wenn sie sich von deinen unterscheiden.
  13. Fokussiere auf Lösungen: Konzentriere dich auf die Suche nach gemeinsamen Lösungen, die die Bedürfnisse beider Parteien erfüllen.
  14. Zeige Anerkennung: Lob und Anerkennung stärken die Beziehung und fördern eine bessere Kommunikation.
  15. Nimm Feedback an: Stehe offen für konstruktives Feedback und sieh es als Chance zur persönlichen Entwicklung.
  16. Akzeptiere Imperfektionstoleranz: Vermeide Perfektionismus und gestehe dir selbst und anderen zu, Fehler zu machen, ohne zu verurteilen.
  17. Handle gegen deinen inneren Kritiker: Lass nicht zu, dass dein eigener innerer Kritiker deine Kommunikation beeinflusst. Glaube an deine Fähigkeit, konstruktiv zu kommunizieren.
  18. Bleibe cool: Sogar in hitzigen Gesprächen oder während verführerischer Kommunikation, bleibe ruhig und gelassen.
  19. Achte auf Körpersprache: Oft sagt die Körpersprache mehr als Worte. Sei aufmerksam, um nonverbale Signale zu verstehen.
  20. Setze Grenzen: Wenn die Kommunikation respektlos wird, setze klare Grenzen, um die Integrität der Konversation zu wahren.

 

© Timo ten Barge [10.11.2017]

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4 Kommentare

  1. Vera

    Hallo Timo,
    habe gerade mit sehr großem Interesse Deinen Block gelesen. Ja, da fühle ich mich sehr angesprochen. Dieses Beispiel steht für viele private und auch berufliche Situationen. Finde es ganz phantastisch, dass Du es mal sehr genau auf den Punkt bringst, die ICH-BOTSCHAFTEN.

    Täglich werden DU-BOTSCHAFTEN vermittelt, davon kann ich mich auch nicht immer freisprechen. Es ist wie ein Reflex, wie ein Schutzwall. Dabei sind, da gebe ich Dir vollkommen Recht, die DU-BOTSCHAFTEN authentisch. Sie erfordern sehr viel Mut, damit zeigt man sich auch sehr nach außen.

    Dennoch denke ich, lieber mal etwas riskieren, verletzlich sein, aber den Mut haben, die Dinge und Konflikte beim Namen zu nennen. Mit diesem Blog ermutigst Du dazu. Vielen Dank! Ich fühle mich bestätigt und bleibe mutig!

    Weiterhin viel Erfolg und DANKE für diese Perspektiven!

    Viele Grüße, Vera

    Antworten
    • Timo

      Hi Vera,
      super, dass es dir gefallen hat.
      Es fordert tatsächlich Mut, weil man bei Ich-Botschaften einiges von sich preisgibt.
      Dir auch viel Erfolg!
      Timo

      Antworten
  2. Vera

    Danke Timo!
    Ich bleibe mutig, Dein Blog hat mich darin sehr bestärkt!
    DANKE DIR!
    Viele Grüße
    Vera

    Antworten
    • Timo

      Hallo Vera,
      viel Erfolg!
      herzliche Grüße,
      Timo

      Antworten

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