„Meine Freundin schickt mich zu dir,“ beginnt Antonia, 46, zögerlich. „Sie sagt, eine Midlife-Crisis bei Frauen sei keine Katastrophe, sondern eine Chance – und du wüsstest, wie man Chancen nutzt.“
Sie sitzt aufrecht, ihre Hände zucken nervös auf den Armlehnen. Obwohl sie äußerlich kontrolliert wirkt, ist in ihr vieles durcheinander.
„Es fühlt sich an, als hätte ich unterwegs irgendwo meinen Weg verloren,“ beschreibt sie ihre Situation. „Ich sehe die Kreuzungen, die ich früher verpasst habe, und frage mich: Warum bin ich nicht anders abgebogen?“ Der Drang nach Veränderung ist da, doch sie weiß nicht, wo sie anfangen soll. „Ich habe alle Selbsthilfebücher gelesen, aber nichts davon gibt mir eine Richtung.“
Als ich Antonia frage, seit wann sie dieses Gefühl hat, überlegt sie kurz. „Das fing etwa vor einem halben Jahr an,“ sagt sie schließlich. „Meine beste Freundin hat mir damals Eat Pray Love geschenkt. Sie meinte, das Buch würde mich inspirieren. Und irgendwie hat es das auch – aber vor allem hat es diese Fragen aufgeworfen. Warum bin ich nicht glücklich mit dem, was ich habe? Warum traue ich mich nicht, etwas zu verändern?“
Antonia ist erfolgreiche Anwältin, aber in letzter Zeit zweifelt sie an ihrem Beruf. Sie hat alle Ziele erreicht und ist erfolgreich, aber ihr fehlt der Sinn des Lebens. „Früher habe ich in einem Verlag gearbeitet, und das war eine tolle Zeit. Vielleicht hätte ich bleiben sollen?“ Hinzu kommen Stimmungsschwankungen und Selbstzweifel, die sie so nicht von sich kennt. „Ich war immer diejenige mit dem Plan. Jetzt frage ich mich: War’s das schon?“
Ihre Ziele sind klar: Sie möchte verstehen, was mit ihr los ist, lernen, sich neu zu erfinden und herausfinden, ob sie mit 46 noch ihre wahre Berufung finden kann. „Ich will endlich wieder wissen, wohin es gehen soll – ohne mich von Selbstzweifeln bremsen zu lassen.“
Inhalt
Text: Midlife-Crisis bei Frauen: Chance oder Katastrophe?
1. Psychologische Analyse
2. Midlife-Crisis bei Frauen: Praxis
3. Midlife-Crisis bei Frauen: Psychologie
4. Grafik: Text
5. Midlife-Crisis bei Frauen: Philosophie
6. Midlife-Crisis bei Frauen: Eat Pray Love
7. Midlife-Crisis bei Frauen: Test
1. Psychologische Analyse
Antonia steckt mitten in einer klassischen Midlife-Crisis. Sie zweifelt an sich selbst, hinterfragt alte Entscheidungen und spürt, dass sie nicht mehr im Einklang mit ihren Werten lebt.
Ziele:
1. Verständnis für sich selbst
Antonia möchte verstehen, warum sie sich so verloren fühlt. Sie spürt, dass ihre unterdrückten Bedürfnisse und ein kritisches Mindset sie blockieren.
2. Leichtigkeit
Antonia ist gefangen in ständiger Leistung, getrieben von FOMO. Sie ist oft wütend auf sich selbst, wenn sie nicht genug schafft. Scham über vermeintliches Versagen macht es noch schwerer. Jetzt lernt sie, den Moment zu genießen und zu sehen, dass sie auch ohne Dauerstress wertvoll ist.
3. Berufung
Antonia zweifelt an ihrem Beruf, weil er ihr keinen Sinn mehr gibt und sie sich ausgebrannt fühlt. Sie sucht eine Arbeit, die zu ihren Werten passt und ihre Resilienz stärkt – etwas, das nicht nur ein Job ist, sondern ihrem Leben echte Bedeutung verleiht.
Fazit
Ihr ständiges Hetzen von einem Ziel zum nächsten hat sie bisher weit gebracht, aber es gibt ihr keine innere Zufriedenheit mehr – und genau das wird jetzt deutlich.
2. Midlife-Crisis bei Frauen: Praxis
1. Selbstwert stärken
Durch die Reflexion ihrer gelebten und vernachlässigten Werte gewinnt Antonia eine neue Orientierung, die ihr hilft klare Prioritäten zu setzen und ihren Selbstwert zu stärken.
Werteübung: Antonia identifiziert zentrale Werte wie Freiheit, Harmonie oder Kreativität, die sie wieder stärker in den Fokus rücken möchte.
2. Auszeit
Um den Alltag zu entschleunigen und mehr im Moment zu leben, plant Antonia bewusst Zeiten für sich ein.
Zeit für sich: Mit regelmäßigen Aktivitäten wie Schwimmen, Wellness und einem freien Freitag pro Woche schafft sie Raum für sich.
Auszeit: Eine längere Pause in Südspanien hilft ihr, Abstand zu gewinnen und, beruflich sowie persönlich, neue Klarheit zu finden.
3. Neuausrichtung
Antonia reflektiert ihre Leidenschaften und beruflichen Wünsche, um sich gezielt neu zu orientieren.
Neuorientierung: Durch Kontakte in ihrer Branche entdeckt sie neue Möglichkeiten und wechselt nach der Auszeit in eine Verlagsposition.
Langfristige Vision: Mit klaren Schritten arbeitet sie auf ihr Ziel hin, eines Tages ihren eigenen Verlag zu gründen.
Fazit
Antonia hat ihre Krise genutzt, um sich selbst neu zu entdecken. Sie weiß jetzt, was sie wirklich motiviert, hat ihre Lebensziele neu ausgerichtet und mehr Leichtigkeit in ihr Leben gebracht. Mit Selbstfürsorge, einer Auszeit und einem neuen Job hat sie ihre Arbeit und ihr Gefühl von Erfüllung komplett neugestaltet.
Das Coaching war eine große Hilfe, und beim Thema Partnerschaft will sie sich später noch einmal bei mir melden. Im Moment reicht ihr ihr Hund als Mitbewohner, aber nach einer Männer-Auszeit kann sie sich gut vorstellen, wieder eine Beziehung einzugehen – wenn es zu ihrem neuen Lebensstil passt.
3. Midlife-Crisis bei Frauen: Psychologie
Die Midlife-Crisis beschreibt eine Phase im mittleren Lebensalter, in der Menschen beginnen, ihr bisheriges Leben zu hinterfragen. Zwischen 35 und 55 Jahren treten häufig Gedanken über verpasste Chancen, die Endlichkeit des Lebens und der Wunsch nach Veränderung auf – oft begleitet von dem Bedürfnis, endlich authentisch und im Einklang mit den eigenen Werten zu leben.
Ursprung Midlife-Crisis
Der Begriff „Midlife-Crisis“ wurde 1957 vom Psychoanalytiker Elliott Jaques geprägt. Er beschrieb Menschen in ihren 30ern, die durch die Erkenntnis der eigenen Sterblichkeit in innere Konflikte geraten. Typische Probleme waren Angst vor dem Älterwerden, gesteigerte Religiosität, gesundheitliche Sorgen und ein zwanghafter Drang, die Jugend zurückzuholen. Später gab Jaques zu, dass er selbst von diesen Ängsten betroffen war.
Abgrenzung zu einer psychischen Krankheit
Eine Midlife-Crisis ist keine anerkannte psychische Krankheit, sondern eine Phase der Neuorientierung, die durch psychosoziale und körperliche Veränderungen ausgelöst wird. Dabei geht es oft um die Suche nach einem neuen Lebenssinn und Perspektiven für die Zukunft.
Typische Anzeichen einer Midlife-Crisis bei Frauen
• Selbstverwirklichung und Unabhängigkeit: Der Wunsch, mehr für sich selbst zu tun und eigene Ziele zu verfolgen.
• Veränderung des Lebensstils: Neue Frisuren, Kleidung oder Hobbys spiegeln oft den Wunsch nach Erneuerung wider.
• Neuorientierung in Beziehungen und Beruf: Fragen über die Qualität von Partnerschaften und die Erfüllung im Job gewinnen an Bedeutung.
• Emotionale und körperliche Herausforderungen: Stimmungsschwankungen, Selbstzweifel und körperliche Symptome, wie Wechseljahresbeschwerden, können auftreten.
• Das „Empty Nest“-Gefühl: Einsamkeit oder Neuorientierung entstehen, wenn die Kinder das Haus verlassen.
• Nostalgie und Ängste: Gedanken über verpasste Gelegenheiten oder die Angst vor dem Älterwerden sind präsent.
4. Grafik: Text
Die U-Kurve des Glücks zeigt, dass die Lebenszufriedenheit ab Ende 30 sinkt und ab Mitte 50 wieder steigt. Der Tiefpunkt liegt in Europa bei etwa 46 Jahren. Laut der Psychologin Pasqualina Perrig-Chiello kann die Unzufriedenheit in der Lebensmitte ein wichtiger Impuls sein, sich neu zu erfinden.
5. Midlife-Crisis bei Frauen: Philosophie
Midlife-Crisis bei Frauen: Vom Erfolg zum Sinn
Die Midlife-Crisis, oft als Phase der Unsicherheit gefürchtet, ist eine Gelegenheit zur Neuorientierung. Frauen wie Antonia, die alle beruflichen Ziele erreicht haben, stehen oft vor einer Leere: Erfolg allein genügt nicht mehr, wenn das Gefühl für den Sinn fehlt. Dieser Wendepunkt bietet die Chance, das Leben bewusster und sinnerfüllter zu gestalten.
Erfolg, aber ohne Erfüllung
Antonia, erfolgreiche Anwältin, hat ihre beruflichen Ziele – klassische telische Tätigkeiten – erreicht. Telische Aktivitäten sind solche, die auf ein bestimmtes Ziel hinarbeiten, wie ein Projekt abschließen oder eine Beförderung erlangen. Doch sobald diese Meilensteine erreicht sind, bleibt oft die Frage: War das alles?
Philosophen wie Kieran Setiya betonen, dass dieser Modus auf Dauer unbefriedigend sein kann, da er wenig Raum für das Genießen des Moments lässt.
Was fehlt, ist der atelische Modus – Tätigkeiten, die keinen festen Endpunkt haben und um ihrer selbst willen Freude bereiten. Musik hören, Gespräche führen oder einfach spazieren gehen – diese Handlungen geben dem Leben Leichtigkeit und einen Sinn, der unabhängig von äußeren Erfolgen existiert.
Vom Tun zum Sein
Das Leben nur an telischen Zielen auszurichten, führt oft zu innerer Erschöpfung. Die Lösung ist nicht, auf Ziele zu verzichten, sondern sie mit atelischen Aktivitäten in Balance zu bringen. Für Frauen wie Antonia bedeutet das, sich Zeit für Momente der Gelassenheit zu nehmen: ein Hobby pflegen, Natur genießen oder einfach im Hier und Jetzt verweilen.
Von Erfolg zu Sinn
Die Midlife-Crisis ist keine Katastrophe, sondern eine Einladung, das Gleichgewicht zwischen Tun und Sein neu zu definieren. Wer telische und atelische Tätigkeiten miteinander verbindet, erlebt das Leben nicht nur als Abfolge von Zielen, sondern als lebendige und bereichernde Erfahrung. Der Schlüssel liegt darin, neben den großen Meilensteinen auch die kleinen Momente zu schätzen – für ein sinnerfülltes und ausgeglichenes Leben.
6. Midlife-Crisis bei Frauen: Eat Pray Love
Das Buch Eat Pray Love erzählt von Liz, die sich in einer Midlife-Crisis gefangen fühlt. Trotz äußerem Erfolg spürt sie eine innere Leere und sucht nach Sinn – genau wie Antonia. Es gibt einige Parallelen und einige Unterschiede was ihren Umgang mit der Midlife-Crisis angeht:
Fragen nach dem Sinn
Liz und Antonia hinterfragen ihr bisheriges Leben. Beide fühlen sich trotz erreichten Zielen unglücklich und zweifeln an vergangenen Entscheidungen.
Veränderung und Selbstfindung
Liz wagt einen radikalen Bruch: Sie verlässt ihren Mann, gibt ihren Job auf und reist durch Italien, Indien und Bali. Antonia wählt einen sanfteren Weg – eine Auszeit in Spanien, um Klarheit über ihre Werte und Ziele zu gewinnen.
Reisen als Neustart
Für Liz steht die Reise für Genuss, Spiritualität und Balance. Antonias Spanien-Trip bietet ihr Abstand und Zeit, ihre berufliche und persönliche Zukunft neu zu gestalten.
Unterschiedliche Ansätze, gleiche Erkenntnis
Liz sucht einen Neuanfang, Antonia eine Neujustierung. Beide erkennen, dass Glück nicht von äußerem Erfolg, sondern von innerer Ausrichtung und Lebenssinn abhängt.
Eat Pray Love zeigt, dass eine Krise eine Chance sein kann – eine, die Antonia in ihrer eigenen Weise nutzt.
7. Midlife-Crisis bei Frauen: Test
Beantworte die folgenden 10 Fragen ehrlich, um herauszufinden, ob du möglicherweise in einer Midlife-Crisis steckst. Notiere dir die Punkte (0-2) zu jeder Frage:
• 0 Punkte: Trifft gar nicht zu
• 1 Punkt: Trifft teilweise zu
• 2 Punkte: Trifft voll zu
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Fragen
1. Hinterfragst du oft, ob dein Leben in die richtige Richtung läuft?
(0: Nie, 1: Manchmal, 2: Sehr oft)
2. Fühlst du dich trotz äußerer Erfolge oder eines „guten Lebens“ innerlich leer oder unzufrieden?
(0: Nein, 1: Ab und zu, 2: Ja, sehr oft)
3. Hast du den Drang, größere Veränderungen in deinem Leben vorzunehmen (Jobwechsel, Wohnortwechsel, Trennung von Partner(in))?
(0: Überhaupt nicht, 1: Ich denke gelegentlich daran, 2: Ja, das beschäftigt mich stark)
4. Glaubst du, dass du wichtige Entscheidungen in deinem Leben bereuen könntest?
(0: Nein, 1: Ein bisschen, 2: Ja, oft)
5. Hast du das Gefühl, in deiner Rolle als Partnerin, Mutter oder in deinem Beruf festzustecken?
(0: Nein, gar nicht, 1: Ein wenig, 2: Ja, absolut)
6. Suchst du intensiver nach Sinn, Spiritualität oder persönlicher Erfüllung?
(0: Nein, nicht wirklich, 1: Hin und wieder, 2: Ja, sehr stark)
7. Hast du plötzlich ein starkes Verlangen nach Freiheit, Abenteuer oder neuen Erfahrungen?
(0: Nein, 1: Ja, ein bisschen, 2: Ja, sehr stark)
8. Fühlst du dich körperlich oder emotional „nicht mehr wie früher“?
(0: Nein, ich fühle mich wohl, 1: Ab und zu, 2: Ja, oft)
9. Vergleichst du dich häufiger mit anderen und fragst dich, ob sie glücklicher sind?
(0: Nein, gar nicht, 1: Manchmal, 2: Ja, oft)
10.Hast du das Gefühl, dass du dir selbst fremd geworden bist?
(0: Nein, gar nicht, 1: Ein bisschen, 2: Ja, sehr stark)
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Auswertung
Zähle alle Punkte zusammen und lies dir deine Ergebnisse durch.
• 0-7 Punkte: Du bist entspannt.
Eine Midlife-Crisis scheint bei dir kein Thema zu sein. Du wirkst zufrieden mit deinem Leben und machst dir wenig Sorgen über große Veränderungen.
• 8-14 Punkte: Du denkst nach.
Es gibt einige Aspekte in deinem Leben, die du hinterfragst. Das ist völlig normal und nicht unbedingt ein Zeichen für eine Krise. Vielleicht wäre es hilfreich, dir gelegentlich Zeit für dich selbst zu nehmen und darüber nachzudenken, was dich wirklich glücklich macht.
• 15-20 Punkte: Du steckst mitten in der Krise.
Dein Inneres signalisiert, dass du unzufrieden bist und Veränderungen brauchst. Es könnte helfen, mit jemandem zu sprechen – einer Freundin, einem Coach oder einem Therapeuten. Überlege, was dir in deinem Leben fehlt und plane kleine Schritte, um deinen Weg neu zu gestalten.
© Timo ten Barge 23.11.24
Lieber Timo,
ich habe immer ein bisschen ein Problem mit dem Begriff an sich, weil er so negativ besetzt ist. Dem Klischee nach kaufen Männer in der Midlife-Crisis einen Porsche und haben eine 25-jährige Geliebte. Frauen machen plötzlich Yoga, meditieren und wollen ihre Mitte finden. Die Frage „Wer bin ich?“ und was denn noch drüber ist von dem Menschen, der man mal sein wollte, drängt sich ab einem gewissen Alter einfach auf. Und die Sehnsucht nach Freiheit, Selbstbestimmung und Selbstwirksamkeit.
Auch ich sehe diese Phase als ganz große Chance Dinge ins Leben (zurück) zu holen, die auf dem Weg als Erwachsener verdrängt oder vergessen wurden, egal, ob es den Job betrifft, die Liebe oder die Lebenssituation. Es ist nie zu spät sich auf die Suche nach Antworten zu machen, einfach für sich selbst und dann Entscheidungen zu treffen, die dem eigenen Leben eine neue Richtung geben.
Liebe Grüße,
Michaela
Danke für deine Gedanken, Michaela.
Viele sehen die Midlife-Crisis ja eher negativ, aber eigentlich steckt im Wort „Krise“ schon was Positives: Es ist ein Wendepunkt, eine Chance, Dinge neu zu ordnen. Wie du sagst, diese Sehnsucht nach Freiheit und Selbstbestimmung kann ein echter Motor sein, um alte Muster zu hinterfragen und das Leben wieder bewusster zu gestalten. Es ist nie zu spät, neue Wege einzuschlagen, die sich gut anfühlen.
schöne Grüße,
Timo