Was sind meine Stärken?

von | Persönliche Entwicklung | 3 Kommentare

Wenn man nach seinen Stärken gefragt wird, folgen oft obligate Schlagworte wie Kommunikationsfähigkeit, Empathie etc.

Stimmt das wirklich? Oder sind das nur Verlegenheitsantworten? Es ist nützlich zu überprüfen, ob diese Begriffe tatsächlich authentisch sind.

 

Motivation und Stärken

Wie benenne ich jetzt persönliche Stärken, ohne auf Floskeln zurückzugreifen? Ich finde meine Stärken, indem ich in einigen Zeilen aufschreibe, was mich im Kern ausmacht, wann ich wirkliche Leidenschaft verspüre oder wann ich sogar die Zeit bei einer Tätigkeit vergesse. Stärken und Motivation sind nämlich unzertrennlich.

Wenn ich z.B. meine Kommunikationsfähigkeit als Stärke empfinde, ist es sinnvoll zu schauen ob ich in der Lage bin, offen und unvoreingenommen zu zu hören. Wenn ich die Motive von anderen wirklich verstehen möchte, verbindet sich meine Stärke unmittelbar mit Empathie.

 

Stärkentests im Internet

Es gibt viele nützliche Tests wie Myers Briggs, Big 5 und Reiss Profile, aber Gallup und Via Institute on Charakter sind vor allem auf Stärken fokussiert und weniger auf die Persönlichkeit als Ganzes.

Dabei ist Gallup geeigneter für den beruflichen, Via eher für den privaten Gebrauch. Beide ergänzen sich aber.

 

Gallup Strenghtsfinder

positiv: griffige Formulierungen, Wiedererkennungswert, Übersicht

  • Talente x Einsatz = Stärke Talente (eine natürliche Art des Denkens, Fühlens oder Verhaltens) x Einsatz (die Zeit für das Üben und Entwickeln von Fertigkeiten) = Stärke (die Fähigkeit, dauerhaft eine vollkommene Leistung zu erbringen)
  • Man erkennt sich schnell wieder, die Beschreibungen sind sehr detailliert und erfassen das Wesentliche.
  • Die Einteilung in Talentkategorien ist übersichtlich. So finden sich „Bindungsfähigkeit“ und „Verbundenheit“ unter der Kategorie „Beziehungsaufbau“ oder „Ideensammler“ und „Vorstellungskraft“ unter der Kategorie „strategisches Denken“.

negativ: Kosten, geringe Wissenschaftlichkeit, Willkür

  • Der Test ist kostenpfichtig und eher für ein Bussinesscoaching geeignet: Für €10 bekommt man nur 5 Signaturtalente. Die niedrige Stärken (Schwächen) erhält man also nicht.
  • Der hohe Erkennungswert hängt mit den Forereffekt zusammen:Täuschung durch persönliche Validierung oder Bestätigung.
  • Einige Talente sind zu sehr miteinander verwand, wie Intellekt, Wissbegier, analytisches Denken. Andere Talente sind zu eng gefasst: Das Schöpferische wird nur im Hinblick auf das Finden von Ideen gesehen.

 

Via Institute on Charakter

(Seligman, Vertreter der Positiven Psychologie)

positiv: gratis, wissenschaftlich fundiert, erfüllend.

  • Auch niedrige Stärken (also im Grunde Schwächen) werden aufgezeigt, weil die Positive Psychologie nicht defizitorientiert ist.
  • Völlig akzeptiert in der Wissenschaft, da von Psychologen erfasst. Charakterstarken lassen sich außerdem bis Aristoteles zurück verfolgen, wo dann eher von Tugenden gesprochen wird. Es ist philosophisch begründet.
  • Charakterstärken sind erfüllend und sind besser messbar, auch in Kombination mit Werten und Emotionen.

negativ: niedriger Erkennungswert

  • Problem: Begriffe wie Mut, Neugier und Weisheit wirken nicht sehr differenziert bzw. ansprechend.

 

Fazit

Stärken isoliert zu betrachten, hat einen positiven Effekt, führt aber nur langfristig zum Erfolg, wenn das ganze Spektrum der Motivation berücksichtigt wird.

Es ist wichtig, das sogenannte Big Picture im Auge zu behalten. Stärken sind nur eine einzelne Komponente neben Identität und Persönlichkeit, Selbstwert, Anerkennung etc. Um sich einen Überblick zu verschaffen, sind Psychologen und Lifecoaches eine sinnvolle Ergänzung.

 

Übung für zu Hause → Charakterstärken finden

Finde 10 Personen in deine Nähe (Freunde, Familie oder auch Kollegen), die dir mindestens 5 deiner Stärken nennen. Dabei sollen Floskeln vermieden werden, kurze Geschichten oder originelle Zuschreibungen sind erwünscht.

Beispiel: „Ich erinnere mich, dass du in dem Meeting MUTIG reagiert hast, als sich jemand mit Scheinargumenten wichtig gemacht hat. Du bist außerdem Selbstbestimmt und sehr GELASSEN geblieben, das war BEWUNDERNSWERT.“

 

Übung mit dem Life Coach → Stärkenfokusiertes Gespräch

Damit die eigenen Stärken einen höheren Erkennungswert bekommen, ist es wichtig, dass der Coach mittels konkreten Beschreibungen aus dem (Arbeits) – Leben des Klienten den Zusammenhang zwischen Persönlichkeit, Emotionen, Werten und Zielen erfasst.

Dabei können positive Emotionen aus der Vergangenheit untersucht, Bewegendes, Faszinierendes oder Spannendes aus der Gegenwart, betrachtet oder auch zukunftsnahe Visionen beschrieben werden. Es wird geschaut, welche Entwicklung Stärken vollziehen können. Die Frage wird gestellt: Wie sieht es in sechs Monaten aus, nachdem der Fokus auf die richtige Stärken gerichtet wurde, auf Themen die ansprechen und motivieren?

 

© Timo ten Barge [28.06.2017]

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3 Kommentare

  1. LENA

    Hallo Timo!
    YES! THAT’S IT! Das hat mich sofort angesprochen!
    Stärken nicht isoliert zu sehen, sondern als TEIL der Persönlichkeit und in Verbindung mit Emotionen!

    Was mich besonders positiv angesprochen hat, war, dass endlich mal das Wort TUGENDEN gefallen ist. Aristoteles ist und bleibt aktuell.
    Das trifft es genau! Und diese Tugenden – Stärken motivieren! UND WIE!

    Danke für diese sehr gelungene Darstellung und weiter so!
    Es grüßt Dich Lena

    Antworten
    • Timo

      Hallo Lena,
      schön, dass es dir gefallen hat! Stimmt, Tugenden sind nicht immer beliebt gewesen, sie sind aber wieder im Kommen.

      Der Vorteil: In einer Tugendethik geht es hauptsächlich um Motivation und Verhalten von Menschen, etwas, woran man als Coach zusammen mit dem Kunden arbeiten kann.

      Für Menschen, die die zum Coaching kommen, ist Mut – (Bei Aristoteles die Mitte zwischen Übermut und Feigheit) – eine bedeutende Stärke. Es fordert ja schon Mut, sich verändern zu wollen und erste Schritte mit dem Life Coach zu wagen.

      Tugenden, die für den einen erstrebenswert sind, müssen das aber für andere nicht sein. Für einen Investment-Banker wäre es besser, sich an einer andere Tugend zu orientieren, Besonnenheit zum Beispiel.

      Die nikomachische Ethik von Aristoteles ist übrigens sehr zugänglich.

      Viele Grüße, Timo

      Antworten
  2. Lena

    Hallo Timo,
    danke für Deine Antwort und den Hinweis. Ja, den GEIST DER GÜTE im aristotelischen Sinne sollten wir meiner Meinung nach mehr in unseren ALLTAG einfließen lassen. Ich bin davon überzeugt, dass es die Kommunikation vereinfacht, man damit Stärke zeigt und sich innerlich freier fühlt. Danke für die Antwort und diesen Hinweis“
    Grüße, LENA

    Antworten

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