Was sind meine Werte?

von | Sinn- und Wertefragen | 2 Kommentare

Erkennst du dich ein wenig hier?

„Sie brauchen die Zuneigung und Bewunderung anderer, dabei neigen Sie zu Selbstkritik. Zwar hat Ihre Persönlichkeit einige Schwächen, doch können Sie diese im Allgemeinen ausgleichen.

Sie haben beträchtliche Fähigkeiten, die brachliegen, anstatt sie zu Ihrem Vorteil zu nutzen. Äußerlich diszipliniert und kontrolliert, fühlen Sie sich tendenziell innerlich ängstlich und unsicher.

Manchmal zweifeln Sie ernstlich an der Richtigkeit Ihres Tuns und Ihrer Entscheidungen. Sie bevorzugen ein gewisses Maß an Abwechslung und Veränderung, und Sie sind unzufrieden, wenn Sie von Verboten und Beschränkungen eingeengt werden.

Sie sind stolz auf Ihr unabhängiges Denken und nehmen anderer Leute Aussagen nicht unbewiesen hin. Doch erachten Sie es als unklug, sich anderen zu freimütig zu öffnen.

Manchmal verhalten Sie sich extrovertiert, leutselig und aufgeschlossen, manchmal auch introvertiert, skeptisch und zurückhaltend. Einige Ihrer Wünsche scheinen manchmal eher unrealistisch.“

Wenn Du Dich in diesem Text wiedergefunden hast, geht es Dir nicht anders als den Studenten, die 1948 bei dem amerikanischen Psychologen Bertram Forer einen Persönlichkeitstest absolvieren mussten und dabei annahmen, dieser Test wäre individuell auf sie zugeschnitten.

In Wirklichkeit hatte der Psychologe den Text aus Horoskopen vom Kiosk zusammengebastelt. Seither ist dieses Experiment bekannt als der Forer-Effekt: Täuschung durch persönliche Validierung oder bestätigung.

Fazit

Jeder erkennt diese Persönlichkeitsmerkmale und Werte in gewissem Maße in sich wieder, vor allem wenn diese so allgemein formuliert werden. Wenn man sich zusammen mit einem Lifecoach intensiver mit den eigenen Persönlichkeitsmerkmalen und Werten auseinandersetzt, kann man es schaffen, über solche allgemeinen Beschreibungen hinauszugelangen. Nur dann kann ein Coaching zielführend sein.

Aber was genau sind Werte?

Werte kennt man vielleicht vom Begriffspaar „Werte und Normen“, wobei in diesem Fall Werte wie Freiheit, Gleichheit oder Gerechtigkeit als wertvoll beurteilt und in Normen konkretisiert werden (Richtlinien für das Handeln).

Wenn es aber weniger um die Gesellschaft als um individuelle (Lebens-) Werte geht, kommt das Wort „Sinn“ ins Spiel. Dann ist vom Begriffspaar „Werte und Ziele“ die Rede. Die Ziele werden abgeleitet aus den persönlichen Werten.

So kann man sagen, dass es die Werte sind, die dem Leben einen Sinn geben. Wenn dies aber der Fall ist, lohnt es sich, sich mit seinen Werten auseinanderzusetzen.

Menschen, die Ziele nach ihren Werten ausrichten, sind in der Regel um einiges zufriedener und entscheidungsfreudiger als andere. Sie wissen, weshalb sie tun, was sie tun, und haben das Gefühl, ein sinnvolles Leben zu führen.

Wer seine Werte kennt, ist authentischer

Werte werden unter anderem in der Familie, durch den Umgang mit Freunden oder auch im beruflichen Umfeld erworben. Wenn ich meine Werte kenne, weiß ich also, was für mich wichtig ist. Wenn ich weiß, warum ich etwas tue, wirke ich auf andere authentischer. Werte sind wesentlicher Bestandteil der eigenen Identität und bestimmen unser Selbst- und Fremdbild. Wenn wir gemäß unserer Werte handeln, steigern wir außerdem unseren Selbstwert und bekommen ein höheres Selbstwertgefühl. Wir leben dann eher ein wahres, authentisches Selbst.

Welche Werte gibt es?

Im Eingangstext finden sich – fett ge­druckt – bereits einige (Lebens-) Werte

Anerkennung → Bewunderung wollen

Selbstverwirklichung → Fähigkeiten, die brachliegen

Besonnenheit → zweifeln an der Richtigkeit des eigenen Tuns

Freiheit → nicht eingeengt werden wollen

Aktivität/Unternehmungsgeist → Abwechslung und Veränderung

Hinterfragen → unabhängiges Denken

Idealismus → Wünsche scheinen unrealistisch

Diplomatisch → (nicht) freimütig / nicht unverblümt

Zu beachten ist, dass „aufgeschlossen sein“ ein Persönlichkeitsmerkmal ist, kein Wert.

Werte-Zuordnung in Lebensbereiche

Im Coaching ist es sinnvoll, die jeweiligen Werte unterschiedlichen Lebensbereichen zuzuordnen. Auch ist es notwendig, diese Werte zu priorisieren und auf Ziele auszurichten.

Beispiel eines Lebensbereichs: Freunde und Bekannte

Wert: Vertrauen, Freude, Humor, gute Gespräche, Großzügigkeit, etc.

Ziel: Freundschaft und Bekanntschaft, die auf Wesensgleichheit oder Nutzen (Aristoteles) beruht oder einfach auf gemeinschaftlichen Interessen.

Ist Erfolg ein Wert?

Manchmal ist es hilfreich zu schauen, warum etwas kein Wert ist. Da das Wort „Wert“ ja irgendwie vermittelt, dass es um etwas Wertvolles geht und z.B. „Erfolg zu haben“ ja auch als wertvoll erachtet wird.

Beim Erfolg geht es aber mehr um den Endzustand, um die Summe der erreichten Ziele und deren emotionale Bewertung. Erfolg kann auch prozessorientiert verstanden werden, dann geht es um den Weg, immer wieder Werte mit neuen Zielen zu verknüpfen und das Leben als einen ständigen Lernprozess zu sehen.

Erfolg doch als Wert zu definieren, ist nicht unbedingt zielführend und kann sogar hemmend wirken, wenn er sich nicht wie erwartet einstellt. Dies ist vor allem der Fall, wenn Erfolg ergebnisorientiert verstanden ist. Bei Misserfolg können dann negative Emotionen wie Frustration und Hilflosigkeit auftreten. Auch ist die Gefahr da, dass der eigene Selbstwert leidet, z.B durch Zweifel an den eigenen Kompetenzen.

Beim Erarbeiten realistischer Werte und Ziele kann ein Lifecoach wertvolle Unterstützung leisten und mittel-, bzw. langfristig zu einer höheren Lebenszufriedenheit verhelfen.

Nochmal kurz zusammengefasst: Weshalb sind Werte relevant?

Werte sind immer da – in unterschiedlichsten Lebenssituationen – und haben einen großen Einfluss auf unser Denken, Fühlen und Handeln. Sie treiben uns meistens unbewusst an. Bewusst können sie uns nur antreiben, wenn wir sie finden und priorisieren. Werte geben eine Richtung vor und lassen sich deswegen ideal auf Ziele ausrichten.

Praktische Fragen, die man sich stellen kann:

1. Nach welchen Werten lebe ich jetzt? Sind es auch die Werte, die mir wichtig sind? Außerdem – lebe ich wirklich danach, weil sie mir wichtig sind (authentisches Selbstbild) oder folge ich bestimmten gesellschaftlichen Normen? (falsches Selbst)

2. Welchen Lebensbereich würde ich diesem Wert zuordnen?

3. Wie sieht dieser doch recht abstrakte und allgemeine Wert für mich persönlich aus?

4. Nach welchen Werten habe ich in der Vergangenheit gelebt, welche konkreten Erfahrungen habe ich damals gemacht und wie zielführend war das?

5. Nach welchen zukünftigen Werten möchte ich leben? (jeweils pro Lebensbereich)

© Timo ten Barge [23.04.2016]

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2 Kommentare

  1. Alex

    Hallo Timo,

    Danke für deinen sehr interessanten Beitrag! Alle deine Aussagen über Werte und Ziele sind gut erklärt und aus meiner Sicht auch plausibel.

    Allerdings würden wahrscheinlich die meisten schon an deiner ersten praktischen Frage „ Nach welchen Werten lebe ich jetzt? Sind es auch die Werte, die mir auch wichtig sind?“ scheitern. Denn, bei dem Herausfinden eigener Werte sehe ich die größte Herausforderung zwischen MEINEN und FREMDEN Werten zu unterscheiden, die man sich durch den Einfluss und Erwartungen zum Beispiel der Eltern, Freunde, Schule etc. unbewusst angeeignet hat.

    Wie würdest Du hier vorgehen? Eine weitere Herausforderung sehe ich darin, sich von den fremden Werten loszureißen? Man hat sie im Laufe vieler Jahre so verinnerlicht, dass es nicht mehr einfach ist davon Abstand zu nehmen, zum Beispiel wie die Anerkennung durch einen gut angesehenen und gut bezahlten Job.

    Welche Schritte sind deiner Meinung notwendig, um sich davon zu befreien?

    Schöne Grüße,
    Alex

    Antworten
    • Timo

      Hi Alex, danke für den interessanten Kommentar!
      Zu deiner ersten Frage – wie man herausfindet, was eigene Werte und was fremde Werte sind -, erscheint es sinnvoll, genau dieses soziale Umfeld im Gespräch heranzuführen.

      Diese Komponente im Coaching heißt systemische Beratung. Im Gespräch wird dann deutlich, welche Rolle das Umfeld bezüglich Werten oder Motiven spielt.

      Es ist die Aufgabe eines Life-Coaches, diese Diskrepanz zwischen eigen und fremde Werte herauszufiltern. Ein wichtiger Faktor ist hier die Frage nach der Anerkennung. Die kann mittels eines Tests festgestellt werden und die Relevanz kann dann im Gespräch vertieft werden.

      Die zweite Frage – wie man sich von fremden Werten losreißt – bedeutet ebenfalls eine große Herausforderung.

      Voraussetzung ist dabei, dass man den Mut aufbringt, seine Komfortzone zu verlassen, und bereit ist, sich selbst emotional zu öffnen. Das ist aber keine Tiefenpsychologie. Es geht eher um ganz konkrete Erfahrungen, die einen emotional berührt haben.

      Werte sind verknüpft mit Emotionen, und Veränderung ist nur möglich, wenn man Zugang findet zu den eigenen Emotionen. Mit der Vernunft geht das nicht, das wäre eine Sisyphus-Arbeit.

      Ein Life-Coach schafft diesen Zugang. Eine schöne Übung ist zum Beispiel das Verankern von positiven Erfahrungen, damit ein Zugang zu positiven Emotionen gefunden werden kann. Praktische Übungen sind Teil des Life-Coachings.

      Antworten

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