9 Tipps gegen Perfektionismus

von | Persönliche Entwicklung | 6 Kommentare

Was ist Perfektionismus?

 

Auf den Punkt gebracht leidet der Perfektionist sehr darunter, ein unerreichbares Ziel nicht verfolgen zu können, so der Wiener Psychotherapeut Raphael Bonelli.

 

Bin ich jetzt ein Perfektionist, weil ich alles ganz genau machen will?

 

Ein Perfektionist strebt nicht nach Perfektion, um sich daran zu erfreuen. Diesen Zustand von Freude erleben eher Menschen, die das richtige Maß kennen, die vielleicht ein hohes Leistungsstreben haben, aber auch selbstbewusst und gelassen durchs Leben gehen können.

Entscheidend ist auch die Frage ob eine Person sich eher von äußeren Anreizen steuern lässt: extrinsische Motivation. Dann führt ein Streben zur Perfektion schnell zu Empfindlichkeiten und Neurosen. Wenn jemand aber etwas tut, weil es seinen inneren Überzeugungen und Werte entspricht: intrinsische Motivation, hat das streben nach Vollkommenheit keine negativen Auswirkungen wie Ärger oder Wut. Es wird dann eher positive Gefühle wie Begeisterung und Freude auslösen.

 

Perfektionismus und der Drang nach Anerkennung

 

Der echte Perfektionist möchte Sicherheit haben und opfert dafür seine innere Freiheit. Fehlerfrei zu bleiben, ist das Wichtigste für ihn  und so entsteht der ständige Druck, sich selbst und anderen genug zu sein, was folgen hat für die Kommunikation. Verbunden mit diesem Zwang nach Fehlerfreiheit ist oft der Drang nach  Anerkennung: das Gefühl, wahrgenommen, wertgeschätzt und sozial akzeptiert zu werden.

 

Wann bin ich ein Perfektionist?

 

Einfach gesagt, wenn ich

1) übermäßig nach Unfehlbarkeit strebe – „Einen Fehler zu machen, wäre für mich unverzeihlich und anderen gegenüber würde ich mich schämen.“

2) mir extrem hohe Ziele setze, die ich nie und nimmer erreichen kann – „Ich muss das unbedingt schaffen, um jeden Preis.“

3) mein Handeln sehr kritisch bewerte – „Ich hätte viel  mehr schaffen/leisten können, wenn ich mich noch mehr angestrengt hätte.“

 

Eine ‚greifbare‘ bildliche Erklärung

 

Am Einfachsten ist der Perfektionismus bildlich zu erfassen, wenn man sich vorstellt, was ein zwei  Monate altes Baby tut, wenn es einen Gegenstand überreicht bekommt. Es hält daran fest und lässt ihn nicht mehr los, dank des angeborenen Greifreflexes.

Wenn man dem Baby aber über den Handrücken zu den Fingern hin streicht, öffnet sich die Hand. Was Babys erst langsam erlernen müssen  – nämlich  das Loslassen -, haben viele Erwachsene wieder verlernt.

 

Perfektionismus und Selbstwert

 

Beim Lifecoaching wird  immer überprüft, welche Werte jemandem wichtig sind und welche Werte er missachtet. In den vorangegangen Aussagen wurden einige Werte missachtet. Das wichtigste ist der  Selbstwert. Der emotionale Selbstwert sagt, wie jemand zu sich selbst steht, ob er sich mag, wie er ist, mit all seinen  Fehlern. Denn nur sie machen eine Person  letztendlich menschlich und nicht zu einem bloßen Produkt der Leistungsgesellschaft, zu einer Maschine.

Wichtig sind auch abstraktere Werte, wie die Entfaltungsfreiheit und die innere Freiheit. Das Gegenstück hierzu ist ein übertriebenes Sicherheitsdenken, was jede Freiheit einschränkt. Es ist nicht nur wichtig, die eigenen Stärken und Talente zu kennen, sondern auch zu seinen Schwächen zu stehen.

 

Der Schlüssel zur Lösung des Problems: Imperfektions-toleranz

 

Sich gegen unerreichbare Erwartungen zu stellen und sich Schwächen erlauben (das gilt auch für uns Männer) – ohne sie als schamhaft abzulehnen -, ist sinnvoller und zielführender. Es ist also wichtig die eigene Unvollkommenheit anzunehmen mit dem Ziel eine Imperfektionstoleranz zu erreichen.

 

9 Tipps, den eigenen Perfektionismus in den Griff zu bekommen

 

1. ‚Die Perfektion‘ schlechthin gibt es nicht

Sich  bewusst machen, dass es ‚die Perfektion‘ nicht gibt. Sie  existiert allein  als theoretisches Konstrukt.

2.  Perfektionismus erkennen

z.B. in dem Gedanken  „Ich muss das unbedingt schaffen, um jeden Preis.“

Im nächsten Schritt darüber Buch führen, wann und wie der Perfektionismus auftritt und darüber hinaus in welchen Lebensbereichen er auftritt, ob z.B. im  Beruf als  Leistungszwang oder privat als  Ordnungszwang oder allgemein als  Pünktlichkeitszwang.

3. Zwischen ‚positivem‘ und ’negativem‘ Perfektionismus unterscheiden

Positiver Perfektionismus ist im Grunde kein eigentlicher Perfektionismus. Dabei handelt es sich in der Psychologie vielmehr um die oft unterschätzen Sekundärtugenden wie Fleiß, (maßvolles) Leistungsstreben und Disziplin.

Echter Perfektionismus beinhaltet ebenfalls einige dieser Tugenden, allerdings im Übermaß. Er führt zu Stress und Angst.

4.  Realistische Ziele setzten

Sich nicht der Illusion hingeben, den Perfektionismus völlig ablegen zu können. Das wäre nur ein perfektionistischer Wunsch.

5. Selbstbestimmt denken und handeln

Sich bei der Zielsetzung immer vor Augen führen, dass man selbst – und nicht fremdbestimmt denkt und handelt. Perfektionisten handeln fast immer fremdbestimmt.

6. Ein Perfektionist wird nie ein Genie werden können

Wenn man schon meisterhaftes anstrebt, dann wirkt Perfektionismus dem eher entgegen. Der Perfektionist will so viel, dass es die Kreativität blockiert. Phasen von Müßiggang oder sogar Langeweile – Begriffe die eher Fremdwörter sind für Perfektionisten – sind eine notwendige Voraussetzung für herausragende Leistungen.

7. Vergleiche mit anderen Sinnvoll bewerten

Perfektionisten vergleichen sich oft mit anderen und fokussieren dann auf Ihre eigenen Schwächen, was negative Folgen für das Selbstwertgefühl hat. Das Vergleichen an sich ist aber nicht schlimm, jeder macht es. Die frage ist eher, wie wir das Vergleichs-Ergebnis bewerten. Wir können uns von anderen inspirieren lassen, die manche Dinge besser können als wir und dabei einsehen, dass unsere Talente anderswo liegen. Wenn wir aber dauerhaft versuchen unsere Schwächen auszubügeln können wir uns nie auf unsere Stärken konzentrieren, dann wird es zum Problem.

8. Es steckt in jedem von uns gesundes und ungesundes Leistungsstreben

es gibt, kein ‚entweder /oder‘, wenn es um gesundes Leistungsstreben oder ungesunder Perfektionismus geht. Es ist ein Kontinuum von normal zu neurotisch. Solange man Sachen mit Spaß, Begeisterung und Überzeugung macht ist man auf der richtigen Seite der Skala.

Wenn Angst und Stress das Denken und Handeln beherrschen, ist es Zeit einem Psychologen oder Lifecoach aufzusuchen.

9. Weniger Perfektionismus führt zu Selbstbestimmung und werte-basierendes Glück.

Es ist wichtig sich bewusst zu sein dass Fehlbarkeit zu hohe Ziele setzen und sich zu kritisch bewerten dazu führt, dass man sich vor lauter Angst das Leben erschwert. Wer bereit ist weniger perfektionistisch zu leben, gewinnt Selbstbestimmung und erlebt wertebasiertes Glück, dann sind auch Lebensziele erreichbar.

 

© Timo ten Barge [05.12.2016]

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6 Kommentare

  1. Annika

    HALLO TIMO.
    das ist ja mal ein super Thema PERFEKTIONISMUS. Warum eigentlich nach Perfektionismus streben? Da schließe ich mich mehr der philosophischen Linie an, Perfektionismus macht unfrei!’Perfektionismus ist wie ein Korsett.

    Es gibt nicht die perfekte Arbeit, das perfekte Leben, die perfekte Beziehung etc.. Meiner Meinung nach liegt der wahre Charme im IMPERFEKTEN, authentisch sollte man sein.

    Gerade im Arbeitsumfeld wäre der Idealfall, aus seinem Hobby einen Beruf zu machen. Wenn das nicht realisierbar ist, dann sollte man authentisch bleiben. Die eigenen Träume nicht vergessen, Perfektionismus blockiert das! Und auch mit Mut zum Risiko leben! Es einfach tun, nicht planen, auch Scheitern riskieren.Was zählt, ist es probiert zu haben.

    Manchmal wird man total positiv überrascht. Das kann man nur erfahren, wenn man mutig ins Wasser springt. Wir sollten uns mal frei machen von dem Gedanken,immer ANDEREN zu genügen. WIr sind wichtig, unsere Wünsche und Ziele und Träume! Nicht die Aussenwirkung!

    Ich denke , das ist ein typisch deutsches Problem, in erster Linie. Hier können wir viel von der skandinavischen Gelassenheit lernen. Sie sind nicht weniger effektiv, im Gegenteil, sehr kreativ, aber sie leben ihre Träume und lassen diesen Raum. Das wäre doch mal einen Gedanken wert, was denkst Du?

    Herzliche Grüße, Annika

    Antworten
    • Timo

      Hi Annika,
      danke für den sehr schönen Kommentar!
      ‚Der wahre Charme liegt im Imperfekten‘, da stimme ich dir völlig zu.
      Die skandinavische Gelassenheit kenne ich leider noch nicht, nur die südländische:)
      Liebe Grüße, Timo

      Antworten
  2. ANNIKA

    HEY TIMO,
    ja, es stimmt, man bringt das immer mehr mit der südländischen Mentalität in Verbindung. Da ich diese sehr gut kenne, aber auch skandinavische Wurzeln habe, sehe ich hier einen großen Unterschied. -Sicher, hier soll kein Vorurteil bedient werden… , aber in südlichen Ländern ist die Aussenwirkung, die Show doch sehr entscheidend.

    In Skandinavien ist es eine Lebensart, da liegt der Unterschied und die Chance. Nicht perfekt zu sein, hat Charme und öffnet Türen und Herzen…

    Immer DU SELBST SEIN ist ein grosses Lebensthema, da dürfen auch Imperfektheiten sein, man muss sich selbst treu bleiben! Das halte ich für ganz essentiell!!
    Ganz liebe Grüße, ANNIKA

    Antworten
    • Timo

      Hi Annika,
      da kannst du recht haben, da ist die Show wichtig. Allerdings glaube ich, dass auch das bewusste Antizipieren auf eine Außenwirkung mit Leichtigkeit dargestellt werden kann, zum Beispiel mit ein wenig Selbstironie.
      Die klassische skandinavische Lebensart ist vielleicht etwas zurückhaltender, weniger auf Show bedacht. Ich vermute, dass die etwas femininer geprägte skandinavische Kultur dir mehr zusagt;-)
      Viele Grüße, Timo

      Antworten
      • ANNIKA

        Hi Timo,
        genau, Du hast meine Kern aussage nochmal unterstrichen. Zurückhaltung, ohne Show. Das bedeutet ja nicht, dass man kein Temperament hat. Nur die Authentizität ist entscheidend. Selbstironie sollte man immer haben, sie hilft, viele Situationen zu entschärfen, aber sie sollte nicht im Vordergrund stehen. Das hast Du sehr treffend und schön formuliert, sicher ist diese skandinavische Art eine FEMININERE ART. Mir persönlich sagt das sehr zu. Man zeigt sein wahres Ich, aber immer mit einer gewissen Reserviertheit. Erst wenn Vertrauen gefasst ist, zeigt man mehr von sich, und zwar sein komplettes Ich.

        Danke Dir für Deine Anregungen,freue mich schon auf neue BLOGS. Ich nehme stets sehr viele Denkanstöße daraus mit und kann mal ganz andere Perspektiven kennenlernen, die man selbst oft nicht sieht, weil man zu eingefahren ist.
        Liebe Grüße, Annika

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        • Timo

          Hi Annika,
          danke! Freut mich das dir meine Blogs gefallen.
          Viele Grüße, Timo

          Antworten

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